Von der Sonne verbrannte, uralte Holzhäuser mit Hirschgeweih über den kleinen verzierten Fenstern, ein mit Blumen geschmücktes Kruzifix und eine kleine weiße Kapelle mit ausgelagerter, gut sichtbarer Glocke. Gerade klingt sie nicht, dafür aber die Kuhglocken in der Ferne. Ein Ausflug zum historischen Bergbauerndorf Gerstruben im Oberallgäu in den Bayerischen Alpen ist wie eine Reise in eine andere Zeit. Für die Wanderung von Oberstdorf in einen der höchsten Orte Deutschlands sollte man etwa fünf Stunden Zeit einplanen.

Lohnt sich die Wanderung nach Gerstruben im Allgäu?

Wir kennen Wanderungen zu Seen, durch Schluchten, zu schönen Wasserfällen oder idyllisch gelegenen Wirtshäusern – vereinen wir doch all das einfach mit einer einzigen Wanderung und besuchen darüber hinaus noch ein altes Bergbauerndorf. Urkundlich erwähnt wurde Gerstruben erstmalig im Jahr 1361, laut einer mündlichen Überlieferung soll es den Ort aber gar schon im Jahr 893 gegeben haben.

Die Bewohner kamen ursprünglich aus dem kleinen Walsertal. Sie betrieben Ackerbau und Viehzucht und lebten ein damals entbehrungsreiches, bäuerliches Leben. Hart war es vor allem im Winter, wenn Gerstruben über Monate von der Außenwelt abgeschnitten war. Deshalb verkauften die Bewohner Ende des 19. Jahrhunderts die bestehenden neun Anwesen an eine Elektrizitätsgesellschaft aus Kempten, die auf dem Gelände allerdings nicht wie geplant einen Speichersee errichtete, sondern alles der Familie Heyl zu Herrnsheim vermachte.

1953 kam Gerstruben durch den Verein Rechtler zurück in Oberstorfer Besitz. Heute sind die Häuser denkmalgeschützt. Bei einer mittelschweren Wanderung von Oberstdorf könnt ihr sie erreichen.

Fototipp: Natürlich muss das Bergbauerndorf selbst aufs Bild. Wenn ihr es durchquert und euch dann nach der weißen Kirche umdreht, liegt es sehr schön am Hang.

Anreise nach Oberstdorf

Strecke:13,8 km
Höhenmeter:370 hm
Gehzeit:4 Std.
Einkehrtipp:Berggasthof Gerstruben
Must-See:Christlessee

Die Wanderung nach Gerstruben eignet sich perfekt für die öffentliche Anreise. Einfach den Bahnhof Oberstdorf ansteuern und dann knapp 20 Minuten bis zum Ausgangspunkt laufen. Alternativ fährt auch Bus Nummer 9 Richtung Burgpichl P1. Nach 8 Minuten erreicht ihr die Haltestelle Mühlenbrücke.

Wer mit dem Auto kommt, kann an der Obeyle-Festhalle parken. Die Fahrzeit mit dem Auto bis nach Oberstdorf dauert von München aus etwas mehr als zwei Stunden. In Oberstdorf folgt ihr der Beschilderung zur Nebelhornbahn. Etwas oberhalb befindet sich der Parkplatz. Achtung, Parken ist hier sehr teuer: Fällig werden rund 15 Euro Parkgebühr.

Aufstieg durch den tosenden Hölltobel

Wir starten unsere Wanderung nach Gerstruben an einem trüben Julitag. Wenn die Gipfel rings um Oberstdorf in den Wolken versteckt sind, braucht man sie auch nicht zu besteigen. Also genau richtig für die Reise in eine andere, sehr mystische Zeit.

Wir durchqueren Oberstdorf und nehmen dann einen Wanderweg am plätschernden Alpenbach Trettach entlang bis zum Weiler Dietersberg. Je nach Trittsicherheit kann man nun entweder über die Gerstruber Steige die 150 Höhenmeter bis zum Bergbauerndorf aufsteigen, oder (wie wir) den anspruchsvolleren Weg durch den Hölltobel wählen.

Es ist kühl. Der Pfad durch die Klamm wird schmaler und steiler. Wir müssen Felsen überqueren und gut auf unsere Schritte aufpassen. Dieser Wanderweg sollte auf keinen Fall im Winter begangen werden. Neben uns rauscht der Gerstrubener Bach hinab. Immer wieder blicken wir auf spektakuläre Wasserfälle und nutzen dann eine Aussichtskanzel für eine kleine Rast. Schließlich lassen wir Schlucht hinter uns.

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Gerstruben ist wie eine Zeitreise

Saftige Wiesen, überzogen von Nebelfeldern, darauf Grauvieh mit großen Kuhglocken. In diese liebliche Szenerie fügt sich das Bergbauerndorf Gerstruben ein. Die weiße Marienkapelle aus dem 17. Jahrhundert und vier Holzhäuser auf Steinsockeln gibt es heute.

Sie sind über 500 Jahre alt und man sieht ihnen an, dass sie schon viele Sommer hinter sich haben. Wäre das Wetter besser, würden wir im Hintergrund imposante Gipfel sehen. So bleibt volle Konzentration auf den Gebäuden. Eines von ihnen ist mit bunten Wimpeln geschmückt.

In der Wassertränke vor der Veranda kühlen mehrere Kästen Bier und Fruchtsaft. Ich blicke durchs Fenster auf eine üppig gedeckte Tafel. Vielleicht feiert hier heute noch jemand Hochzeit oder Geburtstag. Wer eines der historischen Häuser besuchen möchte, kann sich zu den Öffnungszeiten im sogenannten Jakobe Hüs über das Leben in Gerstruben informieren.

Geöffnet hat aber das Wirtshaus Gerstruben. Das Gebäude ist weitaus neuer als die anderen, fügt sich aber dank der hölzernen Fassaden trotzdem gut in die Szenerie ein. Hier gibt es regionales Essen zu fairen Preisen. Ich als Vegetarierin esse Spinatknödel und trinke ein dunkles Weißbier.

Der glasklare und mystische Christlessee

Nach dem Essen durchqueren wir den kleinen Ort. Besonders fällt mir dabei die weiß verputzte Kapelle auf. Der Turm besteht aus zwei überdachten Stehlen, darunter hängt die Glocke für alle sichtbar und bereit, eine Messe anzuzeigen.

Wir gehen die Wandertour als Rundweg. Kurz vor der Kapelle führt uns ein Wegweiser nach rechts in Richtung „Rautweg, Christlessee, Spielmannsau“. Über Wiesen geht es auf einem teilweise drahtseilversicherten Weg steil abwärts zum Tobel. Wer nicht schwindelfrei ist, kann dieses Wegstück über die Klopfmühle umgehen.

Es geht weiter durch den Wald – wir lassen uns von den Wegweisern bis zum auf 916 Metern gelegenen Christlessee führen. Der See liegt glasklar vor uns. Im eiskalten, durch die umliegenden Bäume, grünlich schimmernden Wasser liegen schlanke nackte Baumstämme wie Mikadostäbe aufeinander.

Sie sehen aus, als seien sie schon ewig da und für immer konserviert. Der Christlessee ist völlig mystisch: Wegen naheliegender Quellen, die den See konstant mit Wasser speisen, friert er nie zu, auch nicht bei Minustemperaturen.

In zwanzig Minuten haben wir den Christlesee umrundet. Dann geht es zurück auf den Hauptweg. Vorbei am Golfplatz, Moorbad und einer ziemlich großen Kuhherde geht es gemütlich zurück nach Oberstdorf.

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Fazit

Die Wandertour nach Gerstruben ist ein tolles Erlebnis. Zugegeben, ich habe ein Faible für alte Gebäude, die mich von früheren Zeiten träumen lassen, aber ich fand auch den Weg sehr angenehm und abwechslungsreich. Im Winter kommt man anders hinauf, aber ich empfehle, die Tour unbedingt im Sommer zu machen und dann den Hölltobel mitzunehmen. Und auch den Christlessee solltet ihr euch nicht entgehen lassen, der ist nämlich wirklich etwas Besonderes.

Falls ihr von Oberstdorf aus lieber eine längere und anspruchsvollere Tour machen möchtet, empfehle ich die Wanderung auf das Rubihorn und am Gaisalpsee vorbei. Top Aussicht auf Oberstdorf ist dabei inklusive!

Eine mit vier Stunden kürzere Tour mit sehr guter Aussicht ist außerdem die Gratwanderung von der Kanzelwand zum Fellhorn.

Lage

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