Eine ansehnliche Industriellenvilla in prächtiger Lage mit Blick auf den Wannsee – eigentlich eine wunderschöne Idylle. Doch an diesem Ort trug sich 1942 eines der dunkelsten Ereignisse der deutschen Geschichte zu: Hier im Haus der Wannsee-Konferenz trafen sich Nazi-Funktionäre, um die Massenvernichtung der Juden zu koordinieren. Heute ist in dem Haus eine Gedenk- und Bildungsstätte untergebracht. Keine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Berlins, aber jetzt mehr denn je einen Ausflug wert.

Lohnt sich der Besuch im Haus der Wannsee-Konferenz?

Die Villa in bester Lage mit Blick auf das Wasser, direkt hinüber zum Strandbad Wannsee, wurde von dem Fabrikanten Ernst Marlier in den Jahren 1914 bis 1915 erbaut. Sie gehörte zur sogenannten Colonie Alsen, einer Villenkolonie, die im Kaiserreich und während der Weimarer Republik zu den besten Wohngegenden Berlins zählte. Schon 1921 verkaufte Marlier das monumentale Gebäude an den Industriellen Friedrich Minoux, der als rechtskonservativ und antirepublikanisch gilt. Von diesem ging es 1941 an die SS-Stiftung über, die daraus ein Gästehaus machte – eingebettet in eine ganze Reihe von Gebäuden, die von den Nationalsozialisten genutzt wurden. In der Nachbarschaft befanden sich unter anderem die Reichsluftschutzschule am Heckeshorn, die Schulungsburg der NSDAP, die Rundfunkabhöranlage Sonderdienst Seehaus sowie ein SS-Lager.

Unter der Leitung von Reinhard Heydrich trafen sich hier 1942 15 Nazi-Funktionäre, um die systematische Vernichtung der Juden zu besprechen. Eine Abschrift des Protokolls des als Wannsee-Konferenz bekannten Treffens blieb erhalten und zeigt das ganze Ausmaß des Schreckens der Naziherrschaft. Seit 1982 gilt das Haus als Gedenkstätte, und 1992 wurde es offiziell zum Museum und zu einer Bildungsstätte, in der ihr die Dauerausstellung besuchen oder an Führungen und Seminaren teilnehmen könnt.

Wer waren die Teilnehmer der Wannsee-Konferenz?

Ein großer Teil der Ausstellung befasst sich mit den Teilnehmern der Wannsee-Konferenz, die sich aus Mitgliedern von SS, Polizei, Ministerien und Besatzungsverwaltungen zusammensetzten. Geleitet wurde die Versammlung von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der als einer der Hauptorganisatoren des Holocausts gilt und von Göring mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt worden war.

Weitere Teilnehmer waren Adolf Eichmann, Otto Hofmann, Heinrich Müller, Erich Neumann, Wilhelm Kritzinger und andere. Besonders fassungslos hat mich die Wand gemacht, an der die Teilnehmer in „verstorben vor 1945“, „vor Gericht gestellt und verurteilt“ und „nicht angeklagt“ unterteilt werden. Nicht angeklagt? Zwei aus gesundheitlichen Gründen, bei einem wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, einer galt als „minderbelastet“. Die letzten beiden konnten in der BRD unbehelligt als Politikberater bzw. Rechtsanwalt arbeiten. Das bekräftigt, was ihr an anderer Stelle in der Ausstellung lesen könnt. Dort schreibt der jüdische Historiker und Widerstandskämpfer Joseph Wulf an seinen Sohn: „… Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen“. Wulf konnte bei einem Todesmarsch aus Auschwitz fliehen, 1974 beging er Suizid.

Wie es zur Zeit der Wannsee-Konferenz in dem Gebäude aussah, ist übrigens nicht bekannt. Man weiß auch nicht, in welchem Raum sie stattfand.

Fototipp: Der Garten der Villa führt bis ans Ufer des Wannsees, wo ihr schöne Fotos von vorbeifahrenden Segelbooten, Wasservögeln wie Kormoranen oder vom gegenüberliegenden Strandbad Wannsee schießen könnt.

Anreise zum Haus der Wannsee-Konferenz

Lage:Berlin-Zehlendorf
Anreise:ÖPNV
Must-Do:Ausstellung
Einkehrtipp:Café Max
Datum:20. Januar 1942

Der Ausflug führt euch in den äußersten Südwesten Berlins, in den Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Am besten kommt ihr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, da in der engen Einbahnstraße kaum Parkplätze vorhanden sind. Am einfachsten gelangt ihr über den S-Bahnhof Wannsee ans Ziel, wo nicht nur die S1 und die S7 halten, sondern auch die Regionalzüge RE1, RE7, RB23 sowie RB37 und zahlreiche Buslinien. Von hier könnt ihr die restlichen 2,5 Kilometer zu Fuß gehen. Der Weg ist sehr idyllisch, auch wenn er nicht direkt am Ufer entlangführt.

Wenn ihr auf den Spaziergang keine Lust habt, dann steigt in den Bus 114 Richtung Heckeshorn, der zu Stoßzeiten alle 10 Minuten fährt und euch an der Haltestelle „Haus der Wannsee-Konferenz“ direkt am Eingang rauslässt. Die Fahrt dauert rund 7 Minuten.

Ausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz

Wenn man durch das Tor tritt, rechts das kleine bewachsene Gartenhaus sieht und die Villa inmitten des schönen Parks – man könnte glatt vergessen, warum man gekommen ist: um sich am Ort des Geschehens über ein Ereignis zu informieren, dessen grausame Dimensionen kaum zu erfassen sind. In neun Räumen zeichnet die Dauerausstellung „Die Besprechung am Wannsee und der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden“ nicht nur das perfide Planungstreffen selbst nach, sondern bettet auch die Geschichte der Ausgrenzung, der Deportationen und der Massenmorde mit ein.

Audiovisuelle Installationen mit Videoausschnitten und Hörstationen, an denen ihr auch den Verfolgten selbst zuhören könnt, kommen dabei ebenso zum Einsatz wie Original-Dokumente. Diskutiert wird auch die Frage von Schuld und Mitwirkung. Auch wer nicht direkt an den Morden beteiligt war, kann sich vielfältig schuldig gemacht haben, beispielsweise indem man vom Ausschluss der Jüdinnen und Juden vom Arbeitsmarkt profitierte, sich an deren Besitz bereicherte oder einfach durch Wegsehen die Ereignisse unterstützte.

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Durchatmen im Garten

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Deutschlands war vielleicht nie wichtiger als heute, wo nicht weit entfernt in Potsdam eine Versammlung von Mitgliedern der AfD, Nazis und Industriellen stattfand, bei der über „Remigration“ konspiriert wurde. Aber es ist natürlich auch schwierig und belastend und alles andere als ein netter Sightseeingausflug. Ich hatte in der Ausstellung die ganze Zeit einen Kloß im Hals. Bei einer Rede Adolf Hitlers durchlief mich ein kalter Schauer.

Ich kann euch nur empfehlen, danach durch den Garten zu laufen, vorne am Wasser auf einer Bank zu sitzen und das alles erstmal sacken zu lassen, durchzuatmen. Ihr habt hier einen der schönsten Ausblicke am Wannsee. Im Garten steht übrigens auch eine Infotafel zum Strandbad Wannsee gegenüber. 1933 wurde dort „Nicht-Ariern“ der Zutritt verwehrt, ab 1938 auch per Gesetz.

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Fazit

Der Besuch der Ausstellung lohnt sich definitiv, und man kann sich ohnehin nicht zu viel mit diesem Teil der Geschichte auseinandersetzen. Spaß macht das natürlich nicht direkt. Aber es darf ja trotzdem ein schöner Ausflug sein. Am Wasser sitzen, durch die ehemalige Villenkolonie spazieren oder die nur wenige Gehminuten entfernte Liebermann-Villa besichtigen, wo ihr nicht nur viele Werke des jüdischen Malers sehen könnt. Das Haus hat auch einen wunderschönen Garten und das Café Max, das mit seiner Terrasse mit Blick auf den Wannsee als das schönste Museumscafé der Hauptstadt gilt.

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