Mit letzter Kraft ziehe ich mich hinauf aufs Gipfelplateau der Seekarlspitze. Die schwerste Stelle der Tour ist geschafft. Bevor ich die letzten zwei der insgesamt fünf Klettersteige in Angriff nehme, gönne ich mir erst mal eine ausgiebige Pause und genieße das traumhafte Bergpanorama. Der 5-Gipfel-Klettersteig hoch über dem Achensee in Tirol ist eine sportliche Herausforderung für ambitionierte Klettersteiggeher, bietet aber auch Spielraum zur Gestaltung. Ich nehme euch mit auf ein abwechslungsreiches Bergabenteuer im Rofangebirge. Muskelkater garantiert!
Lohnt sich der Achenseer 5-Gipfel-Klettersteig?







5 Gipfel auf einen Streich – Das ist möglich im Rofangebirge! Im kleinen, aber feinen Gebirgsstock östlich des Achensees warten gleich fünf spektakuläre Klettersteige, die sich je nach Erfahrung, Zeit und Laune beliebig kombinieren lassen. Konditionsstarke Klettersteiggeher schaffen die gesamte Runde an einem Tag, es ist aber auch problemlos möglich, die eine oder andere Ferrata zu umgehen.
Der Zu- und Abstieg lässt sich von Maurach aus entspannt mit der Rofanseilbahn gestalten. Für besonders frühe Vögel bietet sich direkt an der Bergstation die Erfurter Hütte zur Übernachtung an. Von hier startet man die Tour am besten entgegen dem Uhrzeigersinn und beginnt bei der Haidachstellwand (2.192 m). Danach geht es abwechslungsreich, immer im Wechsel zwischen anspruchsvollen Kletter- und gemütlichen Wanderpassagen über Rosskopf (2.246 m), Seekarlspitze (2.261 m) und Spieljoch (2.236 m) bis zum Hochiss (2.299 m). Von allen Gipfeln genießt man einen tollen Rundumblick Richtung Karwendelgebirge, Lechtaler Alpen und Hohe Tauern.
Fototipp: Wer sich gefreut hat, bei dieser Tour mit gleich fünf Gipfelkreuzfotos nach Hause zu fahren, wird leider enttäuscht sein. Auf dem Gipfelplateau vom Spieljoch gibt es zwar kein Gipfelkreuz, dafür bietet sich hier eine traumhafte Fotokulisse mit der prägnanten Spitze des Hochiss sowie dem wunderschönen Bergpanorama des Karwendelgebirges.
Anreise nach Maurach am Achensee
| Schwierigkeit: | D |
| Strecke: | 9 km |
| Gehzeit: | 7-8h |
| Höhenmeter: | 950 hm |
| Beste Reisezeit: | Juni-September |
Ausgangspunkt der Klettersteig-Tour ist Maurach am Achensee in Tirol. Mit der Bahn erreicht ihr Jenbach von München aus in rund 1,5 Stunden. Vom Bahnhof ist es dann nur noch eine kurze Busfahrt bis zur Talstation der Rofanseilbahn. Wer mit dem Auto anreist, kann hier als Seilbahnnutzer auch kostenlos parken.
Etwas länger und teurer, aber definitiv ein Erlebnis, ist die Fahrt mit der historischen Achenseebahn. Die älteste Dampf-Zahnradbahn Europas bringt euch zischend und schnaubend in einer halben Stunde von Jenbach nach Maurach, überwindet dabei 7 Kilometer und 400 Höhenmeter und beschert euch herrliche Blicke auf das Inntal und die umliegende Bergwelt.
Der frühe Vogel schafft alle fünf Klettersteige
Um alle fünf Klettersteige an einem Tag zu schaffen, sollte man früh aufstehen. In der Hauptsaison fährt die erste Gondel der Rofanseilbahn um 8 Uhr. In 5 Minuten bringt sie euch auf 1.840 Meter. Noch schneller ist, wer wie ich die Nacht auf der Erfurter Hütte verbringt.
Ich stärke mich am reichhaltigen Frühstücksbuffet und starte noch vor allen anderen in den Tag. Hüttenschlafsack, Waschtasche und Wechselsachen verstaue ich in einem Stoffbeutel und lagere diesen im Trockenraum der Hütte. So bin ich mit etwas leichterem Gepäck unterwegs, was beim Klettersteigen definitiv von Vorteil ist.
Neben der Klettersteigausrüstung habe ich ein Erste-Hilfe-Set, eine Trinkflasche, ein paar Energieriegel, eine Fleecejacke sowie eine Regenjacke dabei. Die Tour solltet ihr aber nur bei trockenen Bedingungen und stabilen Wetterverhältnissen antreten. Für lange Klettersteigtouren wie diese ist es außerdem ratsam eine zusätzliche Rastschlinge mitzunehmen, falls die Kraft doch mal nachlassen sollte.
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Warm-Up an der Haidachstellwand
Prinzipiell kann man die Klettersteig-Runde in beide Richtungen laufen. Es empfiehlt sich allerdings entgegen dem Uhrzeigersinn zu gehen, da man so die schwierigeren C und D-Schlüsselstellen im Aufstieg bewältigt. Mein erstes Ziel ist daher der Klettersteig der Haidachstellwand, der mit einer Schwierigkeit B/C relativ leicht und somit perfekt fürs Warm-Up geeignet ist.
Der Blick auf die Topo zeigt mir jedoch, dass der Steig in der entgegengesetzten Laufrichtung liegt oder im Abstieg genommen werden muss. Viele beginnen daher auch direkt beim Rosskopf und sparen damit gleichzeitig etwas Zeit. Ich bin aber längst vom sportlichen Ehrgeiz gepackt und will alle fünf Klettersteige schaffen. Außerdem liegt mein letzter Klettersteig schon eine Weile zurück, weshalb ich mich gerne erst warm klettern möchte, bevor ich die steile Wand des Rosskopfs angehe.
Daher weiche ich von der eigentlichen Route ab, halte mich an der Mauritzalm links und folge den Wegweisern zur Gruberscharte. Und schon befinde ich mich zwischen den imposanten Kalkwänden des Rofangebirges, die mit ihrer rauen Griffigkeit ein Paradies zum Klettern darstellen.
So früh in der Saison muss ich unterwegs noch einige Schneefelder überqueren, dafür sind aber nur wenige andere Menschen unterwegs und ich habe die Klettersteige und Gipfel fast ganz für mich alleine. Nach etwa einer Stunde erreiche ich den Einstieg an der Nordwand der Haidachstellwand, wo ich Gurt, Klettersteig-Set, Helm und Handschuhe anlege.
30 Minuten später schlage ich auch schon am Gipfelkreuz an und lasse den Blick über die Gipfelkette der anderen vier Berge schweifen, die nun noch vor mir liegen. Von hier kann ich gut die gesamte Länge der Tour überblicken und verspüre Respekt und Vorfreude gleichermaßen.
Es wird steil und schwindelerregend
Über denselben Weg klettere ich wieder bergab und steuere auf den Rosskopf zu, dessen Felswand steil über mir aufragt. Den Helm lasse ich direkt auf, denn hier herrscht Steinschlaggefahr! Vor mir befinden sich bereits zwei andere Kletterer im Steig und immer mal wieder löst sich etwas Geröll aus der Wand.
Nun wird es deutlich anspruchsvoller. Der Klettersteig auf den Rosskopf ist der längste und schwierigste der gesamten Tour. Direkt nach dem Einstieg warten einige luftige C/D-Stellen, die eine gute Klettertechnik und vor allem Schwindelfreiheit und Trittsicherheit erfordern.
Der restliche Weg zum Gipfel ist dann zwar wieder leichter, wer sich jedoch unsicher ist oder Kraft sparen möchte, kann den Rosskopf auch problemlos umwandern und direkt zur Seekarlspitze oder zum Spieljoch weitergehen. Denn für die letzten drei Klettersteige sollte man definitiv einiges an Kraft übrig haben.
Der Klettersteig auf die Seekarlspitze ist zwar kürzer, aber mit einer D-Stelle am Ende für mich die härteste Nuss des Tages. Umso dankbarer sind meine Arme, dass sich der Weg zum Spieljoch entspannt und ohne viel Kletterei erwandern lässt. Dafür hat es der Abstieg über einen rutschigen, seilversicherten Grat inklusive steiler C-Passage wieder in sich.
Wer an dieser Stelle keine Kraft oder Zeit mehr hat, kann vom Spieljoch auch den Normalweg bergab gehen und entweder über einen kleinen Umweg zum letzten Klettersteig gelangen oder vorzeitig abbrechen. Dann wäre man in einer Stunde wieder an der Bergstation.
Krönender Abschluss am Hochiss
Der Klettersteig auf den Hochiss, den höchsten Berg im Rofangebirge, erfordert mit einigen knackigen C/D-Klettereien zum Schluss nochmal all meine Konzentration. Mittlerweile ist es später Nachmittag geworden, meine Arme sind schwer, meine Kleidung verschwitzt und mein Kopf glüht.
Belohnt werde ich am Gipfel dann aber mit einem atemberaubenden Weitblick über Rofan- und Karwendelgebirge und mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl. Erleichterung und Stolz machen sich in mir breit und ich kann mir einen Freudenschrei nicht verkneifen.
Der Weg zurück zur Bergstation dauert noch einmal gut eine Stunde. Die letzte Gondel zurück ins Tal fährt im Sommer um 17:30 Uhr. In jedem Fall lohnt es sich, Zeit für einen Einkehrschwung auf der Erfurter Hütte oder Dalfaz-Alm einzuplanen. Von beiden Hütten aus hat man einen traumhaften Blick auf den Achensee und das Essen ist ebenfalls ausgezeichnet. Und nach so einer intensiven Klettersteigtour schmeckt ohnehin alles doppelt so gut.
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Fazit
Eins kann ich euch verraten: Der Muskelkater nach dieser Tour ist am nächsten Tag garantiert. Lohnt sich trotzdem: und zwar zu 100 Prozent! Sowohl sportlich als auch landschaftlich hat der 5-Gipfel-Klettersteig einiges zu bieten und die abwechslungsreiche und flexibel gestaltbare Wegführung macht ihn sowohl für Einsteiger als auch Könner zugänglich. Wer alle fünf Klettersteige an einem Tag machen möchte, sollte nicht nur Ausdauer mitbringen, sondern auch eine gute Selbsteinschätzung und den Mut, die Tour abzubrechen, falls die Kraft zwischendrin doch nachlässt.
Der Klettersteig lässt sich wunderbar mit einer Hüttenübernachtung zu einem unvergesslichen Wochenendtrip verbinden. Und bevor man die Heimfahrt antritt, kann man die müden Muskeln noch im Wellness-Bereich des „Atoll Achensee“ in Maurach entspannen. Bei wem bleiben da bitte noch Wünsche offen?
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