Mir reicht ein einziges Wort, um zu beschreiben, was Ferropolis, die Stadt aus Eisen, ist: Gigantisch! Auf einer Halbinsel mitten im Gremminer See, rund 50 Kilometer nördlich von Leipzig, den es vor 25 Jahren noch gar nicht gab, stehen fünf riesige Bagger wie Dinosaurier aus Stahl. Wo heute das glatte Wasser des Sees die Wolken spiegelt, war vor nicht allzu langer Zeit eine Wüste aus Sand und Abraum. Das einstige Tagebauloch hat sich gewandelt, von einem Ort unbändiger Kräfte und Umweltzerstörung zu einem Ort der Kultur. Ich nehme dich mit in eine Welt der Superlative in Sachsen-Anhalt!

Lohnt sich der Besuch von Ferropolis?

1964 begann die Braunkohleförderung in Mitteldeutschland, 1991 endete sie. Bis dahin wurden jährlich 100 Mio. Tonnen Kohle gefördert. Ab 1991 begann dann die Sanierung. Die Idee zu Ferropolis in Gräfenhainichen kam aus dem Bauhaus Dessau. Nach jahrelanger Arbeit wurde das Gelände 2000 nach der Flutung eröffnet. Seit 2001 ist das Industriedenkmal für Besucher zugänglich und wird kontinuierlich ausgebaut. Zu den Hauptattraktionen gehören die fünf Eimerketten- und Schaufelradbagger.

Big Wheel ist bekannt für sein 8,4 m hohes Förderband. Junior, gebaut 1984, liegt größentechnisch im Mittelfeld. Mosquito ist der älteste und kleinste Bagger mit einer Höhe von 27,2 m. Mad Max, erkennbar an seinen 40 riesigen Eimern, dient bei Konzerten als Kulisse. Medusa hat eine Aussichtsplattform und einen Fahrstuhl, ist 102 m lang und wendig wie ein Krake. Gemini, der größte Bagger, ist 125 m lang und 1980 Tonnen schwer. Von seiner Plattform hat man eine beeindruckende Aussicht.

Fototipp: Verwende ein Weitwinkel-Objektiv, um die riesigen Bagger in ihrer ganzen Pracht einzufangen. Besonders eindrucksvolle Bilder entstehen, wenn die Sonne tief steht und ihre Strahlen durch die Stahlkolosse scheinen.

Anreise nach Ferropolis

Lage:50 km nördlich von Leipzig
Anreise:Auto / ÖPNV
Must-Do:Aufstieg auf Bagger Medusa
Höhe Medusa:36 m
Events:Konzerte und Festivals

Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kannst du nicht direkt nach Ferropolis anreisen. Du nutzt am besten die Bahn bis zum Bahnhof Gräfenhainichen. Von da aus sind es noch ca. 4,5 km, die du zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen musst. Willst du ein Festival besuchen, fährst du bis zum Bahnhof Dessau. Die Veranstalter richten ab dort Bus-Shuttles zum Gelände ein.

Solltest du mit deinem Camper zum Vanlife Festival unterwegs sein oder mit dem Auto anreisen, gelangst du auf der Autobahn A9, Abfahrt Dessau Ost, nach Oranienbaum und von da über die Bundesstraße 107 nach Gräfenhainichen. Ab der Autobahnabfahrt ist Ferropolis durchgängig ausgeschildert.

Da die Gegend eine gute Radfahrregion ist, kannst du auch mit deinem Fahrrad einen Halt einplanen. Ausreichend Radparkplätze sind vorhanden und auch E-Bikes können während deines Besuches geladen werden. Das Gelände ist übrigens barrierefrei und Hunde sind an der Leine erlaubt. Du hast die Möglichkeit, an einer Führung teilzunehmen oder das Areal mit einem Audio-Guide auf eigene Faust zu erkunden.

Zwischen technischer Meisterleistung und Umweltzerstörung

Gräfenhainichen. Klirrend kalt beißt die Februarluft in mein Gesicht. Das noch fehlende Grün lässt die Landschaft trostlos und kahl wirken. Dann betrete ich das Gelände. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so klein gefühlt. Monströs und unnachgiebig stehen sie da, die Stahlkolosse des ehemaligen Braunkohletagebaus Golpa-Nord – Big Wheel, Gemini, Mad Max, Medusa und Mosquito. Sie wurden von Menschenhand gebaut, um die Erde aufzubrechen, von Menschen geführt und gesteuert, und doch wirken sie, als hätten sie ein Eigenleben.

Der Ort hat mehrere Gesichter: Zum einen ist da die massive Umweltzerstörung. Für einen Eimer Kohle mussten sechs Eimer Wasser und fünf Eimer Abraum gefördert werden. Schließlich hinterließ der Tagebau riesige Löcher in der Landschaft. Zum anderen ist es ein Meisterwerk der Bergbautechnik und des Ingenieurwesens.

Gleichzeitig war der Kohleabbau über viele Jahre hinweg die Lebensgrundlage zahlreicher Arbeiter. Auf den Hallen am Eingang zeigen riesige Graffitis ihre Gesichter, vom Wetter gegerbt, von der harten Arbeit und den Entbehrungen gezeichnet. Ich bin hin- und hergerissen. Mein Verstand möchte ihnen Vorwürfe machen, doch mein Herz sagt: Sie wussten es nicht besser, hatten keine andere Wahl, waren Menschen wie du und ich. Ja, ich bewundere sie sogar. Das ganze Gelände erzählt von ihrer Arbeit, ist ein Zeugnis einer vergangenen Zeit und den Menschen, die untrennbar mit ihr verbunden sind.

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Skelett eines Waldelefanten im Industriedenkmal Ferropolis

Neben den Baggern gibt es in Ferropolis jedoch noch weitaus mehr zu entdecken. Teil des Museums ist die „30 kV-Station“. In dem alten DDR-Plattenbau kann man die Schaltwarte sowie eine Ausstellung zur Vermessungstechnik sehen.

Im ganzen Haus findet man Spuren des Braunkohleabbaus – Bilder, Zeichnungen, Pläne, Ausrüstung, Werkzeuge und vieles mehr. Die Einrichtungsgegenstände sind original erhalten und verströmen den pragmatischen Industriekultur-Charme der 60er und 70er Jahre.

Farben, Materialien und die Gerüche nach Lacken, Öl und Metall nehmen dich mit in die Vergangenheit. Fast kann man spüren, wie der Schaltwart vor den unzähligen Knöpfen und Schaltern sitzt und konzentriert bei der Sache ist. Fehler bedeuteten hier Lebensgefahr.

Außerdem wird das Skelett eines Waldelefanten gezeigt, der in der Region vor 125 Millionen Jahren lebte und 1987 bei Arbeiten am Tagebau ausgegraben wurde. Doch nicht nur Altes ist zu sehen, auch moderne, digitale Mittel werden in der multimedialen Ausstellung „Mining Einst, Heute, Morgen“ eingesetzt. In der 30 kV-Station befindet sich auch ein Standesamt. Ja, wer will, kann sogar auf Medusa heiraten.

Events in Ferropolis

Denke ich in dieser Kulisse an Musik, denke ich unweigerlich an Gerhard Gundermann – Rockpoet, singender Baggerführer und Stimme der Bergleute seiner Zeit. Er entstammte der Arbeiterklasse, arbeitete bis zum Schluss im Tagebau in Hoyerswerda und wollte auch nie etwas anderes tun. Der Film, der sein Leben zeigt, wurde teilweise in Ferropolis gedreht.

Denn die Löcher und Halden, die Bagger und der Stahl, das war seine Welt, in ihrem Rhythmus schlug sein Herz, sie prägten sein ganzes Leben. Und auch wenn er nicht aus Golpa-Nord stammte, so war er doch die Stimme der Bergarbeiter im ganzen Osten des Landes.

Heute stehen nicht nur Künstler mit akustischer Gitarre vor den Baggern, sondern internationale Musiker spielen hier gigantische Konzerte vor der einmaligen Bagger-Kulisse. Deep Purple, Herbert Grönemeyer, Metallica, Udo Lindenberg, Die Toten Hosen, Linkin Park, Björk, Seeed, Paul Kalkbrenner – die Liste ist lang.

Doch nicht nur riesige Konzerte mit Lichtshow und Pyrotechnik, auch Festivals haben Ferropolis als Location für sich entdeckt. So finden regelmäßig das „MELT-Festival“, das Metal-Festival „With Full Force“, das Hip-Hop-Event „Splash!“, seit 2023 das „HIVE“ und das „Whole Festival“ mit elektronischer Musik auf dem Gelände statt.

Außerdem treffen sich Camper zum „Vanlife Festival“, Sportler zum „Neuseenman Triathlon“ oder Motorsportbegeisterte zum „Iron Drift King“. Ein besonderes Highlight sind auch die „Pyro Games“ vor diesem phänomenalen Hintergrund.

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Fazit

Ferropolis ist groß, gigantisch, unverrückbar. Hier erfährst du am eigenen Leib, wie klein wir Menschen angesichts dieser Technik sind, sie doch bezwingen können und welche Verantwortung damit einhergeht. Ein Besuch in der Stadt aus Eisen ist einfach unglaublich eindrucksvoll. Authentisch erlebst du die Geschichte des Braunkohletagebaus in Deutschland, gehst zurück in der Zeit, spürst die unvergleichliche Atmosphäre der Industriekultur. Ich war beeindruckt, gefesselt, fasziniert.

Ein Besuch in Ferropolis lässt sich auch super mit einem Aufenthalt in der Dübener Heide kombinieren. Der größte Mischwald in Mitteldeutschland ist durchzogen von einer vielfältigen Flusslandschaft, Bächen und Mooren und bietet sich für zahlreiche Outdoor-Aktivitäten an, ob Wandern, Radfahren oder verschiedene Wassersportarten. Vielleicht hast du auch Lust, die Flora und Fauna des Naturparks zu erkunden. Hier kannst du dem Biber hautnah begegnen, Fledermäuse beobachten oder Ausschau nach Wolfsspuren halten. Die perfekte Kombination aus Natur und Industrie!

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