Es ist immer wieder ein schönes Gefühl, in den Bergen aufzuwachen. Die ersten Sonnenstrahlen kriechen langsam über die umliegenden Gipfel und tauchen die Umgebung in ein warmes Licht. Noch ein bisschen verschlafen schultere ich meinen Rucksack vor der Tür des Solsteinhauses und visiere mein heutiges Tagesziel an. Es soll noch tiefer ins Karwendel gehen. Hoch zur Kuhljochspitze (2.297 m). Und das, nachdem mir schon einige Höhenmeter vom Vortag in den Beinen stecken.

Wanderung zum Solsteinhaus und zur Kuhljochspitze

Das Karwendel liegt im Grenzbereich zwischen Bayern und Tirol. Die schroffen, steil aufragenden Gipfel sind also sowohl von deutscher als auch von österreichischer Seite aus zu erreichen. Meist sind es allerdings anstrengende, lange Touren bis zum höchsten Punkt. Da bietet es sich bei mancher Tour an, eine Nacht mitten in den Bergen zu verbringen. So könnt ihr Gipfel erreichen, die an einem Tag aufgrund von zu vielen Höhenmetern nicht zu bewältigen wären. Und gleichzeitig ist so eine Hüttenübernachtung eine tolle Erfahrung, die jeder Wanderer mindestens einmal erlebt haben sollte.

Unser Basecamp für die Nacht wird diesmal das Solsteinhaus sein. Die urige Alpenvereinshütte liegt auf 1.806 m Höhe am Fuße des Großen Solstein. Bis zu 85 Personen können hier in Doppel- oder Mehrbettzimmern übernachten. Wir bewältigen den Aufstieg durch die Ehnbachklamm. Das sind am ersten Tag ca. 1.200 Höhenmeter. Am zweiten Tag folgen noch etwas mehr als 600 Höhenmeter bis zum Gipfel.

Fototipp: Der frühe Vogel knipst das beste Foto. Ich bin normalerweise kein Frühaufsteher. In diesem Fall lohnt es sich aber. Denn ihr seid zum Sonnenaufgang ja schon auf dem Berg. Von hier oben der Sonne zuzuschauen, wie sie hinter den schroffen Bergflanken langsam immer höher wandert, lässt das Herz vieler Fotografen höher schlagen.

Anreise nach Zirl bei Innsbruck

Der Ausgangspunkt unserer Tour liegt in Zirl. Die Gemeinde liegt rund 15 km von Innsbruck entfernt. Wir düsen gemütlich mit dem Bus dorthin. Das geht schneller als gedacht. Wir fahren am Innsbrucker Flughafen vorbei, gelangen am Stadtrand kurz auf die Autobahn und fahren an der nächsten Ausfahrt direkt wieder ab. Dann verkündet der Busfahrer bereits, dass die nächste Station am Gasthof Schwarzer Adler sei. Zeit, auszusteigen. In weniger als 20 Minuten sind wir da.

Und unser Auto steht nicht unnötig herum. Vor allem, weil wir über eine andere Route absteigen möchten und somit am Ende der Tour noch umständlich zum Auto zurückkommen müssen. Da ist die Anreise mit dem Bus viel praktischer.

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Alles eingepackt für die Hüttenübernachtung?

Während der Anreise gehe ich im Kopf meine Packliste durch. Hab ich wirklich alles dabei? Für den Aufstieg bin ich gerüstet. Ich habe ausreichend Wasser, ein paar Snacks, Erste-Hilfe-Set, Sonnenschutz und Sonnenbrille sowie warme Kleidung eingepackt. Diese Dinge habe ich auf jeder Tour dabei, da bin ich mir sicher, dass ich nichts vergessen habe.

Für die Hüttenübernachtung sind außerdem der Hüttenschlafsack, mein Waschbeutel, ein Mikrofaser-Handtuch, Ohropax und Regen- sowie Wechselkleidung in den Rucksack gewandert. Hüttenschuhe gibt’s am Solsteinhaus. Ein zweites Paar Socken habe ich leider vergessen. So musste ich die nass geschwitzten Socken weiter tragen. Das passiert mir beim nächsten Mal nicht mehr.

Am zweiten Tag für den Aufstieg zur Kuhljochspitze würde ich außerdem einen Steinschlaghelm empfehlen. Denn dort geht’s an steilen Felswänden vorbei, von denen immer mal was herunterkommen kann. Der Helm wiegt nicht viel und kann auch am Rucksack außen befestigt werden, wenn er nicht mehr hineinpasst.

Durch die wilde Ehnbachklamm hinauf

Gipfel:2.297 m
Strecke:20 km
Höhenmeter:1.805 m
Gehzeit:9:30 Std.
Beste Reisezeit:Juni bis September

Kurz darauf stehen wir am Anfang der Ehnbachklamm. Nach ein paar Stufen wird der Weg schmaler. Er führt eng an einer hohen Felswand entlang. Auf meiner rechten Seite rauscht glasklares Wasser unter meinen Füßen. Wenn ich den Blick hebe, verliere ich mich in verschiedensten Grüntönen. Teilweise sind die Felsen sogar bewachsen. Die Vegetation erinnert an einen Urwald.

Fasziniert von der Umgebung steige ich weiter auf. Die Anstrengung der ersten Höhenmeter ist kaum spürbar. Viel zu sehr bin ich damit beschäftigt, all die Eindrücke in mich aufzusaugen. Es geht über Brücken hinweg, unter einer bauchigen Felswand hindurch und schließlich geradewegs auf eine Staumauer zu. Die wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Geradezu historisch. Und sie versperrt die Sicht, auf das, was dahinter kommt. Da packt mich die Neugier.

Zwei Treppen trennen mich vom höchsten Punkt der Staumauer. Dann stehe ich oben. Auf der einen Seite blicke ich zurück in die Schlucht, auf der anderen Seite sehe ich ein breites, langgezogenes Flussbett. Es ist viel offener als die enge Klamm. Weiße Steine zieren den Untergrund. Sanft gleitet ein Bach darüber hinweg. Alles wirkt heller und ruhiger. Ein krasser Kontrast zum Einstieg unserer Tour.

Sonnenuntergang am Solsteinhaus

Danach beginnt der Aufstieg erst richtig. In vielen kleinen Serpentinen schlängelt sich der Weg durch Wälder und über weite Almwiesen nach oben. Zwischendurch passieren wir zwei Trinkwasserbrunnen, an denen man die Flasche auffüllen kann. Wir kommen an einem Schild mit der Aufschrift “Vorsicht, bissiges Pferd” vorbei, sehen das besagte Tier allerdings nicht. Und erreichen schließlich die Hütte. Dieser Teil hat sich in meinen Augen ziemlich gezogen.

Die Anstrengung ist schnell vergessen, als wir auf der Terrasse Platz nehmen und mit einer genialen Aussicht ins Tal unter der wärmenden Sonne ein kühles (alkoholfreies) Weißbier trinken und die Spezialität des Hauses genießen. Es gibt Heidelbeerschmarrn. Das sei sogar der beste überhaupt, verrät uns ein Bergführer, der nebenan am Tisch einen Aperol Spritz schlürft.

Dann verschwindet die Sonne langsam hinter den Bergen. Zuerst zeigt sie sich noch ein letztes Mal von ihrer schönsten Seite. Während sie die schroffen Gipfel bereits zu berühren scheint, kann ich die Strahlen sehen, die bis zum Boden reichen. Kurz darauf ist sie verschwunden. Zurück bleiben rot leuchtende Bergflanken am Horizont. Wunderschön! In diesem Moment bin ich dankbar, hier sein, und die Schönheit der Natur erleben zu dürfen.

Morgenstimmung auf dem Weg zur Kuhljochspitze

Am nächsten Morgen geht es zeitig weiter. Frühstück gibt es von 6:30 Uhr bis 7:30 Uhr. Das ist normalerweise nicht meine Uhrzeit. Allerdings ist jedem, der schon mal auf einer Hütte übernachtet hat, bewusst, dass man hier sowieso nicht ausschlafen kann. Die hellhörigen Wände können das Rascheln von Rucksäcken, die leisen Gespräche und die knarrenden Dielen im Treppenhaus nicht verbergen. Also füge ich mich meinem Schicksal, begebe mich verschlafen in den Waschraum, begnüge mich mit einer Katzenwäsche und mache mich über meine Tasse Kaffee am Frühstückstisch her.

Als ich dann den Kopf aus der Tür nach draußen strecke, bin ich schlagartig hellwach. Die Sonne hat die umliegenden Gipfel bereits in ein warmes Licht getaucht. Ich fühle mich wie in einer Märchenkulisse. So beschwingt wandere ich schließlich auch los. Das Ziel ist bereits in Sichtweite: Es geht zur Kuhljochspitze hinauf.

Diese Tour erfordert alpine Erfahrung. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind wichtig. Zuerst steigen wir durch steil abfallende Geröllfelder auf, die an eine Mondlandschaft erinnern. Zwischen den hellen Steinen wächst kein einziges Pflänzchen. Es ist eine Wüste aus Gestein. Nach rund 2 Stunden Gehzeit erreichen wir den Sattel am Kuhljoch.

Gipfelsieg mit 360-Grad-Panorama

Die Höhenmeter des Vortags machen sich in den Beinen bemerkbar. Ich schnaufe kurz durch, dann gehen wir das letzte Stück an. Der Gipfel wirkt nah. Doch diese letzten Meter haben es in sich. Es warten Kletterstellen im I und II Schwierigkeitsgrad. Für geübte Bergsteiger sind die Passagen nicht dramatisch, zumal sie mit Drahtseilen entschärft sind, an denen man sich zusätzlich festhalten kann.

Nichtsdestotrotz ist hier Konzentration gefragt. Es geht teilweise steil in die Tiefe. Ich möchte keinen falschen Tritt riskieren. Ein bisschen Adrenalin kommt in mir hoch und mischt sich wenig später mit einer geballten Ladung Endorphine als ich das Gipfelkreuz erreiche. Geschafft!

Ich halte mich vorsichtshalber an den Seilen fest, mit denen das Kreuz abgespannt ist, während ich mich um die eigene Achse drehe. Die Aussicht hier oben ist gigantisch. Ich blicke weit über das Karwendel hinweg, seh Mittenwald in einer Senke liegen und lass den Blick über das Wettersteinmassiv schweifen. Da, vor mir, ragt ganz markant die Zugspitze auf. Dann genieße ich den Tiefblick aufs Inntal, seh das Sellraintal mit dem Lüsener Fernerkogel und kann bis in die Zillertaler Alpen schauen. Hier ragt der Olperer imposant auf.

Im Vordergrund blicke ich außerdem auf den Großen und den Kleinen Solstein. Merkwürdig ist allerdings, dass der Kleine Solstein der höhere der beiden Gipfel ist. Vielleicht weiß ja jemand, wieso die Namen genau andersherum vergeben wurden? Der Aussicht tut das zumindest keinen Abbruch.

Fazit

Die Tour ist lohnenswert, aber trotz Übernachtung auf der Hütte nicht zu unterschätzen. Gerade der zweite Tag hat es in sich. Und auch die Wegfindung ist manchmal nicht ganz leicht. Deshalb würde ich die Tour ab dem Solsteinhaus nur geübten Wanderern empfehlen. Vom Gipfel sind es außerdem rund 1.400 hm bergab. Dafür müsst ihr euch zum Schluss noch Kraft aufheben. Wir sind bis zum Bahnhof Hochzirl abgestiegen und dort mit dem Zug zurück nach Innsbruck gedüst.

Vielleicht entscheidet ihr euch auch für eine weitere Nacht am Solsteinhaus. Dann könnt ihr am Folgetag noch die Erlspitze erklimmen. Da gibt’s wahlweise einen Klettersteig nach oben, oder ihr wandert hinauf. Alternativ bietet sich auch die Tour zum Großen Solstein an. Diese Route könnt ihr bis zum Kleinen Solstein verlängern.

Lage

Praktische Links

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