5 Leitern, 400 Haken, 1.000 Meter Drahtseil und eine wackelige Hängebrücke – der höchstgelegene Klettersteig der Westalpen in der Schweiz bei Saas-Fee setzt ein gewisses Nervenkostüm voraus. Doch wer ein wenig Erfahrung mit Klettersteigen hat, wird sich nicht überfordert fühlen. Spätestens die atemberaubende Kulisse von Fels und Eis sowie unzähligen Gipfeln und Graten machen jedes ungute Gefühl wett. Ich habe die „Zitterpartie“ über die lange Seilbrücke am Jegihorn ausprobiert und nehme euch mit auf das Klettersteig-Abenteuer.

Lohnt sich der Klettersteig am Jegihorn in Saas-Grund?

Das Jegihorn gehört mit seinen 3.206 m zwar nicht zu den ganz großen Berggiganten der westlichen Alpen, doch die Kulisse, vor welcher der Klettersteig verläuft, sucht ihresgleichen. Mit spektakulären Blicken auf die umliegenden Viertausender bekommt man eine Ahnung von den Dimensionen der Walliser Hochgebirgslandschaft.

Doch nicht nur die Ausblicke auf dem Klettersteig sind verlockend – Wer dem Felskletter-Sport, wie ihn die professionellen Bergsportler ausüben, möglichst nahekommen will, ist am Jegihorn genau richtig. Der hochalpine Klettersteig bietet auf einer Länge von 400 Höhenmetern, für die man gut drei Stunden benötigt, zwei verschieden schwierige Varianten. Überwiegend verläuft die Route im Schwierigkeitsgrad B. Entscheidet man sich für die einfachere Variante, gibt es auf der gesamten Tour nur eine kurze Schlüsselstelle im Schwierigkeitsbereich C/D.
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Fototipp: Der beste Fotospot ist die lange Seilbrücke auf der schwierigeren Variante im zweiten Drittel des Klettersteigs. Dort könnt ihr spektakuläre Aufnahmen bei der Überquerung machen. Außerdem sieht es immer cool aus, wenn ihr ein Foto von oben knipst, sodass das Panorama im Hintergrund bestmöglich zu erkennen ist.

Anreise nach Saas-Grund

Ausgangspunkt:Bergstation Kreuzboden (2.397 m)
Gipfel:3.206 m
Höhenmeter:400 Höhenmeter
(mit Zu- und Abstieg: 900 Höhenmeter)
Schwierigkeit:C/D (Variante: D/E)
Dauer:6 bis 7 Std. (ganze Tour)

Wir sind mit dem Auto über die A9 aus dem Westen kommend in das Vispertal abgefahren und anschließend durch das Saastal nach Saas-Grund gelangt. Ausgangspunkt der Tagestour ist der gebührenpflichtige Parkplatz an der Talstation der Bergbahn Hohensaas (12,- CHF pro Tag/ca. 12 €). 

Alternativ kann man auch sehr unkompliziert mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Hier nimmt man zunächst eine Bahn über Visp nach Stalden-Saas und steigt anschließend in den Bus nach Saas-Grund Bergbahnen.

Vorbereitung und längerer Zustieg zum Klettersteig

Aleicht
Bmäßig schwierig
Cschwierig
Dsehr schwierig
Eextrem schwierig
Fextrem plus
Klettersteig-Skala

Aufgrund der insgesamt langen Tourdauer, aber auch wegen des hohen Besucheraufkommens, sollte man frühzeitig in den Tag starten. Informiert euch im Vorfeld über die aktuelle Wetterlage. Nur wenn keine Gewittergefahr vorherrscht und oben auf dem Berg kein Schnee liegt, ist die Tour sicher. Wir hatten Glück – es schien die Sonne! Vergesst außerdem nicht, genügend und die richtige Verpflegung einzupacken. Während der Tour sind vor allem Kohlenhydrate wichtig, um die verbrauchte Energie schnell wieder aufzuladen: praktisch sind hier Obst, Müsli- oder Energieriegel. Für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sollte man mindestens ein bis zwei Liter Flüssigkeit mitnehmen – am besten Wasser oder Fruchtschorle.

Mit ausreichend Verpflegung und kompletter Kletterausrüstung im Gepäck – Helm, Klettergurt, Steigset und festes Schuhwerk – geht es zunächst mit der Bergbahn Hohensaas in knapp 8 Minuten zur Mittelstation Kreuzboden hoch auf 2.405 Meter. Anschließend steht ein Zustieg mit 480 Höhenmetern bevor. Hier sind bereits gute Trittsicherheit und alpine Erfahrung vorausgesetzt. Ein anspruchsvoller Bergwanderweg führt bergauf zur großartig gelegenen Weissmieshütte (2.726 m). Die Hütte lädt mit traditionellen Schweizer Speisen zum Einkehren ein – ich empfehle es euch aber auf dem Rückweg, da es das Schweizer Essen in sich hat! Anschließend verläuft der Wanderweg nahezu flach in ein kleines Tal, welches sich zwischen dem Jegihorn und der mächtigen Seitenmoräne des Fletschhorngletschers durchschlängelt. Das letzte Stück zum Einstieg des Klettersteigs geht hoch Richtung Norden. Orientieren kann man sich jederzeit an den weiß-rot-weißen Hinweisschildern.

Einstieg und erstes Drittel der Route

Nach gut anderthalb Stunden am Einstieg angekommen, konnten wir uns endlich die Kletterausrüstung anlegen und loslegen! Der untere Teil des Klettersteigs ist zunächst recht moderat. Durch ein gestuftes Gelände gelangt man in eine markante Rinne, in der es steiler wird (B/C). Anschließend geht es in eine offene Wand, die man fast in der Falllinie durchsteigt. Das Stück ist gut ausgestattet mit Drahtseilen, Haken und Leitern. Hier befindet sich auch die erste schwierigere Schlüsselstelle des Steigs (C/D).

Über eine weitere Leiter erreicht man den Vorgipfel auf 3.150 Meter. Das erste Drittel ist geschafft! Ab hier gibt es dann zwei Varianten: Entweder geht es durch die schwierigere „Zitterpartie“ mit Seilbrücke oder man entscheidet sich für die Umgehungsroute ohne Seilbrücke. Für uns war klar – wir wollen über die Brücke!

Variante 1: Spektakuläre „Zitterpartie“ über lange Seilbrücke

Vom Vorgipfel geht es kurz abwärts zur Startrampe der großen Dreiseilbrücke. Von da an heißt es für mich: tief einatmen, Luft anhalten und die ersten Schritte über den tiefen Abgrund setzen. Auf der Brücke einmal kurz innehalten und die Aussicht genießen (C). Am Ende angekommen, geht es direkt in ein Netz über, gefolgt von der anspruchsvollsten Stelle des Klettersteigs. Über ein paar sehr steile Klettermeter mit eingebohrten Steinen als Tritte geht es hoch bis zur Einmündung der Umgehungsroute (D/E).

Variante 2: Leichtere Umgehungsroute über den Jegigrat

Wem die „Zitterpartie“ zu heikel ist, kann sich für die dennoch spektakuläre Umgehungsroute über den Grat entscheiden. Zunächst geht es am Westgrat des Vorgipfels luftig hinab in die Scharte vor dem Jegihorn. An einer scharfen Gratschneide entlang klettert man zum Ansatzpunkt des eigentlichen Gipfelgrats. Hier geht in festem Fels es erst leicht hinauf, dann wird es zunehmend steiler und luftiger – man schlängelt sich direkt an der Gratkante entlang. Eisenbügel verhelfen einem beim Klettern (C).

Die letzten Meter zum Gipfel zum Genießen 

Zum Schluss wird es wieder flacher – die Schwierigkeit nimmt ab (A/B). Über gestufte Felsen gelangt man zum geräumigen Gipfel. Nun heißt es: ein Jubelfoto mit Gipfelkreuz machen, die Kletterausrüstung ablegen und den Rundumblick genießen. Ich nutze die Zeit zum Verweilen und Stärken. Allerdings nicht zu lange, da ihr genügend Puffer für den Abstieg einplanen solltet.

Bergab nehmen wir die normale Wanderroute. Hier steigt man ab bis zur Weggabelung, die man bereits auf dem Hinweg passiert hat. Dann geht es dieselbe Route zurück über die Weissmieshütte zur Mittelstation. Vergesst nicht in der Hütte einzukehren! Wer immer noch nicht genug hat, kann bis ins Tal absteigen. Die weiß-blau-weiße Markierung zeigt einem stets den Weg.

Fazit

Für Bergbegeisterte und Outdoorsportler ist der Jegihorn-Klettersteig ein absolutes Muss! Die Route ist sehr natürlich – sie ist dem Berg angepasst, nutzt in vielen Passagen fast ausschließlich den Stein als Griff und Tritt und hat eine logische Linie. Wer den Nervenkitzel liebt, kommt mit der wackeligen Seilbrücke zusätzlich auf seine Kosten.

Oben am Gipfel angekommen, fühlt man sich wie der König der Welt! Man wird mit einem Rundblick belohnt, der auch weite Teile der Berner Alpen mit einschließt. Einmalig ist auf der Tour auch der Blick auf das Massiv der Mischabel („Mistgabel“) mit dem Dom (4.545 m), dem höchsten ganz auf Schweizer Boden stehenden Berg, hinter dem sich der wohl bekannteste Berg der Region versteckt, das Matterhorn.

Für weiteren Nervenkitzel und atemberaubende Blicke in der Umgebung empfehle ich euch eine Bergtour zum Allalin in Saas-Fee (4.027 m). Das Allalinhorn zählt zu einem der leichtesten 4.000er der Alpen und erfordert wenig Vorkenntnisse.

Lage

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