Eine schmale Brücke verbindet zwei Berge miteinander. Unter den Füßen befinden sich nur einige Holzplanken. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Noch bin ich etwas skeptisch. Denn es ist ein komisches Gefühl von oben auf Baumkronen hinabblicken zu können. Doch man gewöhnt sich schneller an die Höhe als gedacht. Und so hebe ich schon bald den Blick und genieße die Aussicht, die sich mir von der Tibetischen Hängebrücke im Tessin bietet.

Lohnt sich die Wanderung zur Tibetischen Hängebrücke?

Die Tibetische Hängebrücke “Carasc” befindet sich im Tessin in der Nähe von Bellinzona. Seit 2015 überspannt die Brücke mit einer Länge von 270 Metern das Tal zwischen den Gemeinden Monte Carasso und Sementina. Damit ist sie eine der längsten Hängebrücken der Schweiz. Bis zu 130 Meter schwebt die Brücke über dem Boden.

Für die Finanzierung der Brücke wurden über 1,6 Millionen CHF benötigt. Einen Teil davon haben die Einwohner selbst finanziert. Die Gemeindemitglieder konnten sich für 25 CHF an jeweils einer Holzplanke beteiligen. Innerhalb von einer Woche waren alle Planken verkauft.

Die Wanderung zur Brücke könnt ihr als Rundtour gehen und durch Unterstützung der Seilbahn abkürzen. Insgesamt gilt es nämlich auf dem 8 km langen Wanderweg fast 1.000 Höhenmeter im Auf- und Abstieg zu überwinden.

Instatipp: Am besten wirkt die Brücke, wenn ihr sie direkt vom Einstieg fotografiert und so die gesamte Dimension abbilden könnt. Dann ist auch gut zu sehen, wie sie in der Mitte durchhängt.

Anreise nach Monte Carasso

Von München nach Monte Carasso in die südliche Schweiz dauert es mit dem PKW knapp 4,5 Stunden. Dabei müsst ihr beachten, dass ihr eine Schweizer Vignette braucht. Der Preis für die Jahresvignette liegt bei 39 Euro. Auch auf der kurzen Durchfahrt durch Österreich auf Höhe des Bodensees herrscht auf Autobahnen Vignettenpflicht. Die könnt ihr aber zur Not umfahren.

Alternativ ist die Anreise auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln möglich. Für uns ging es ab Luzern mit dem Intercity der SBB weiter. In 1,5 Stunden erreicht ihr Bellinzona. Die Busfahrt von Bellinzona nach Monte Carasso dauert nochmals ca. 15 Minuten.

Wenn ihr Zeit habt, lohnt sich die Anreise aus Luzern auch mit dem Gotthard Panorama Express. Da geht es zuerst mit dem Schiff quer über den malerischen Vierwaldstättersee bis nach Flüelen und dann weiter durch den alten Gotthard-Tunnel. Dafür solltet ihr dann rund 5,5 Stunden einplanen.

Malerisches Dorf nur mit Seilbahn erreichbar

Länge der Wanderung:4,5 km
Höhenmeter:312 m
Länge der Brücke:270 m
Kosten Bergbahn:5 CHF
Beste Reisezeit:Mai bis Oktober

Dann geht es mit der Seilbahn zuerst in Richtung Curzùtt nach oben. Knapp 300 Höhenmeter weiter oben wartet die kleine Siedlung auf euch. Die Häuser sind nach typisch Tessiner Bauart errichtet. So bestehen die Mauern nur aus aufgeschichteten Steinen, die in mühevoller Puzzlearbeit möglichst passend zusammen gesetzt wurden. Auf Zement und Beton wird in den Gemäuern verzichtet. Selbst die Dächer sind mit Steinen gedeckt.

Einige dieser Häuser sind mittlerweile zu Ferienhäusern saniert worden und es gibt auch eine Jugendherberge. Allerdings gibt es keine Straße, die bis nach oben führt. Dafür fährt die Seilbahn auf Knopfdruck Tag und Nacht.

Für Gruppen empfiehlt sich eine Reservierung eines Zeitfensters im Voraus. Denn die kleine Kabinenbahn hat nur Platz für 8 Personen. Danach dauert es rund 10 bis 15 Minuten bis die nächste Kabine eintrifft. So kann es gerade an schönen Wochenendtagen zu langen Schlangen kommen.

Gepflegter Wanderweg mit steinernen Stufen

Nach der Siedlung geht es weiter durch den Wald. Wir sind früh dran und deshalb noch ganz alleine unterwegs. So bleibt Zeit für einen kleinen Abstecher in die alte Kirche von San Barnàrd, die auf dem Weg liegt. Eine Frau sortiert Teelichte am Eingang und begrüßt uns sogleich mit einem warmherzigen “Willkommen Zuhause.” Motiviert von den einladenden Worten werfen wir einen Blick ins Innere der unscheinbaren Kirche. Und staunen. Denn im Inneren werden wir von farbenfrohen, beinahe leuchtenden Wandgemälden empfangen. Die Fresken stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert.

Und so liebevoll, wie der Weiler Curzùtt und die Kirche schon hergerichtet waren, so gepflegt ist auch der Wanderweg. Im Schatten von riesigen Bäumen laufen wir über sorgfältig arrangierte Steinplatten, die fast wie Pflastersteine nahtlos aneinander gereiht wurden. Steilere Stücke zwischendurch werden über Steinstufen überwunden.

Und dann sehen wir nach einer knappen Stunde Gehzeit erstmals die Brücke zwischen den Zweigen der umliegenden Bäume hervorblitzen. Es ist aber nur ein kurzer Teaser auf das, was uns gleich erwartet. Richtig einschätzen kann ich sie von hier noch nicht und einige Schritte weiter ist sie schon wieder komplett im Dickicht verschwunden.

Schwindelerregende Hängebrücke

Als ich schließlich den ersten Fuß auf eine der Holzplanken setze, kommt plötzlich etwas Aufregung in mir hoch. Hin und wieder habe ich Probleme mit der Höhe. Das scheint diesmal aber gut zu funktionieren. Aber ich hab auch noch nicht nach unten geschaut.

Was mich etwas beruhigt ist die Tatsache, dass die Brücke nicht ansatzweise so sehr wackelt, wie ich mir das zuvor ausgemalt habe. Erst als auf der anderen Seite ebenfalls Menschen auf die Brücke steigen und wir uns annähern ist eine leichte Schwingung zu spüren. Aber alles andere als schlimm. Ich fühle mich zu keiner Sekunde unwohl, auch wenn trotzdem stets eine Hand am Stahlseil bleibt.

Etwa auf der Mitte bleibe ich stehen und lasse zuerst den Blick nach unten gleiten. Da wird mir die Höhe erstmals bewusst. Aber auch das ist nicht schlimm. Ich muss ja nicht in die schwindelerregende Tiefe blicken, sondern kann die Augen auch auf die Ferne richten. Dort erwarten mich dicht bewaldete Hügel. Ganz anders also als die hochalpinen Almlandschaften und vergletscherten Gipfel, die ich ansonsten mit der Schweiz in Verbindung bringe. Hier wirkt alles mediterraner. Fast schon italienisch.

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Wanderung zur Hängebrücke ab 06:05 min.

Fazit

An diesem Punkt könnt ihr entweder umdrehen und den selben Weg wieder zurücklaufen, oder ihr geht über den Rundweg zurück ins Tal. Für diese Wandertour solltet ihr ungefähr 4 bis 5 Stunden einplanen. Es ist also stressfrei an einem Tag machbar und ihr könnt den Nachmittag und Abend in einem der lokalen Grottos ausklingen lassen. Das sind Restaurants im Freien, die unseren Biergärten ähneln und in denen ihr euch mit lokalen Weinen und vorwiegenden kalten Spezialitäten verköstigen könnt.

Ich empfehle euch die Wanderung unter der Woche zu machen. In der Schweiz ist die Brücke sehr bekannt und zieht somit auch viele Besucher an. Ich finde aber, dass sie eindrucksvoller wirkt, wenn ihr sie von Anfang bis Ende ohne Gegenverkehr überschreiten könnt. Dann könnt ihr alles viel mehr auf euch wirken lassen.

Lage

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