In der Freizeit etwas Gutes tun oder vielleicht sogar für ein paar Monate eine Auszeit nehmen, um denen zu helfen, denen es nicht so gut geht. Dieser Gedanke eines sozialen Engagements animiert weltweit Tausende von Menschen, als sogenannte Volunteers für Freiwilligenarbeit ins Ausland, oft nach Afrika, zu gehen. Allerdings ist aus dem Freiwilligendienst mittlerweile ein riesiger Markt geworden. Selbst große Reiseveranstalter auf dem deutschen Markt sind mittlerweile mit eingestiegen. Wir werfen einen kritischen Blick auf das Geschäft mit den ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Ist Freiwilligenarbeit im Ausland ein Problem?

Im Jahr 2017 fuhren rund 25.000 Deutsche für Freiwilligenarbeit ins Ausland. Mittlerweile dürfte die Zahl noch deutlich höher liegen, denn die Tendenz ist ununterbrochen steigend. Kein Wunder, denn wer nur einmal das Wort Freiwilligenarbeit bei Google eingibt, findet die ersten fünf Seiten voll mit Agenturen und Anbieter, die Helfer ins Ausland schicken. Das Angebot reicht dabei von Unterrichtsprojekten, Schulen bauen bis hin zu Tier- und Umweltschutz. Die meisten davon sind mit eigenen Kosten verbunden.

#service

Instatipp: Selbstdarstellung unerwünscht! Bei guten Hilfsprojekten liegt der Fokus auf dem Wohl der Menschen, z.B. der Kinder. Deswegen gibt es oft Schutz-Strategien, die eben auch umfassen, dass keine Fotos mit Kindern gemacht werden dürfen.

Voluntourismus wird zum Massenphänomen

Über den eigenen Tellerrand hinausschauen, zeigen, dass einem der Rest der Welt nicht egal ist und etwas bewirken – aber alles dann auf Instagram und bei Facebook posten. Schließlich sorgt das Foto mit dem Elefantenbaby oder dem kleinen Kind ja für reichlich Likes. Mittlerweile muss man sich hier wirklich fragen, worum es eigentlich geht – um Hilfe oder um Selbstdarstellung. Voluntourismus ist zu einem Massenphänomen geworden und zu einem Ego-Trip ins Elend. Denn schließlich wollen die Privilegierten ganz authentisch erleben, wie das so ist, wenn man eben keinen Strom hat und das Wasser nicht einfach aus der Leitung kommt.

Wer sind die Anbieter für Freiwilligenarbeit?

Die Anzahl kommerzieller Anbieter ist fast unendlich. Zu dem Schlagwort Freiwilligenarbeit wirft Google mehr als eine Million Treffer aus. Aber eines haben sie fast alle gemeinsam. Helfen kostet hier Geld. Ein Beispiel ist der bekannte Reiseanbieter Statravel, der ebenfalls Freiwilligenarbeit auf seiner Webseite anbietet. Arbeiten in einem Naturreservat in Südafrika kostet ab 1.002 Euro und Englischunterricht gibt es schon ab 876 Euro. Der Zeitraum kann dabei selbst bestimmt werden. Zwei Wochen scheinen Minimum. Die Möglichkeiten der Hilfe sind vielfältig, von der Arbeit mit Kindern in einem Waisenhaus in Nepal, über Schildkrötenschutz in Costa Rica bis zu Englischunterricht in Afrika.

Wo liegt denn jetzt genau das Problem?

Betreibt jemand ein Business, will er oder sie natürlich nicht, dass der Geldstrom irgendwann abreißt. Genau das würde aber passieren, wenn die Hilfe, die geleistet wird, wirklich nachhaltig wäre. Ein Beispiel: Würden bei einem Projekt, bei dem Englisch unterrichtet wird, vor Ort einheimische Erwachsene ausgebildet werden, um den Kindern die Sprache beizubringen, könnte man irgendwann keine hilfsbereiten Europäer mehr schicken und dann würde das Unternehmen auch kein Geld mehr verdienen. Deshalb werden also lieber weiterhin Personen ins Ausland geschickt, in der Überzeugung, wirklich etwas verändert zu haben. In Wirklichkeit ist der Effekt aber verschwindend gering.

Freiwilligenarbeit mit Kindern

Die fehlende Nachhaltigkeit ist aber nur ein Negativaspekt vom Geschäft mit der Freiwilligenarbeit. Beinhaltet das Projekt die Arbeit mit Kindern, wird es besonders problematisch. Denn den Kindern vor Ort werden im regelmäßigen Turnus von ein paar Wochen neue Gesichter und neue Vertrauenspersonen präsentiert, auf die sie sich einlassen sollen. Obwohl es eher ein typisch kindlicher Impuls ist, sich Fremden gegenüber nicht sofort völlig offen zu geben.

Mehr Schaden als Nutzen

Haben die Kinder dann Vertrauen gefasst, reist diese Person bereits wieder ab. Das bedeutet, in regelmäßigen Abständen verlieren diese Kinder immer wieder einen guten Freund. Wie sich das im Späteren auf zwischenmenschliche Verhältnisse auswirken wird, kann sich wohl jeder denken. Deswegen sollten Kinderhilfsprojekte mit nur kurzzeitigen Aufhalten prinzipiell nicht unterstützt werden. Übrigens: Mittlerweile gibt es zahlreiche Recherchen, die zeigen, dass es sich bei den vermeintlichen Waisen gar nicht um Waisen handelt.

Woran erkennt man seriöse Anbieter?

Zahlreiche Punkte sind bei der Wahl eines Anbieters für Freiwilligenarbeit zu beachten. Gibt es eine transparente Preisaufstellung? Sind vor Ort faire Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter gegeben? Wenn es sich um ein Projekt mit Kindern handelt, sollte unbedingt darauf geachtet werden, ob eine Kinderschutz-Policy gegeben ist. Diese umfasst etwa einen Verhaltenskodex und Richtlinien zu Fotos von sich selbst mit den Kindern. Auch sind ein Bewerbungsverfahren mit Motivationsschreiben und polizeilichem Führungszeugnis und eine ausführliche Vorbereitung mit entsprechenden Kursen und Eignungstests immer unerlässlich.

Empfohlen werden gemeinnützige Organisationen

Ein weiteres Kriterium sind Gütesiegel, etwa vom Global Sustainability Tourism Council, wie das TourCert-Siegel. Grundsätzlich empfehlen Experten eher entwicklungspolitische Einsätze bei gemeinnützigen Organisationen. Etwa das von der Bundesregierung geförderte Programm Weltwärts. Dieses ist mit intensiver Vorbereitung verbunden und umfasst einen Mindestzeitraum von einem Jahr.

Praktische Links

Gut zu wissen

Freiwilligenarbeit im Urlaub geht auch ohne exotische Länder, andere Hautfarben und Strand mit Palmen. Wer wirklich etwas Gutes tun möchte, wo er den positiven Effekt auch sehen kann, kann sich nach Freiwilligenprojekten in der eigenen Umgebung umschauen. Auch dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten, seinen Beitrag zu leisten. Dadurch besteht die Sicherheit, keine fragwürdigen Geschäftsgebaren unterstützt zu haben und der ökologische Fußabdruck ist auch kleiner, weil man eben nicht ans andere Ende der Welt geflogen ist.

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