Prags Altstadt mit ihren angeblich hundert Türmen und der astronomischen Rathausuhr steht auf jeder Must-See-Liste. Doch gibt es auch Geheimtipps, wie Szeneviertel in Prag? Ja! Eins davon ist Holešovice, das sich in den letzten 30 Jahren von Industrie und Handel ab- und der Moderne sowie Kunst zuwandte. Kommt mit auf eine Streiftour zu den Sehenswürdigkeiten von Holešovice und seinen kulinarischen Highlights!

Lohnt sich ein Besuch von Holešovice in Prag?

Wenn ihr beim Städtetrip nach Prag nicht nur Top-Sehenswürdigkeiten abhaken und ein Selfie mit der astronomischen Uhr am Rathaus, der Karlsbrücke, Prager Burg und Co. schießen wollt, lohnt sich Holešovice: ein Einheimischen-, aber auch Bohème-Viertel für junge Künstler/-innen.

In Holešovice (ca. 35.000 Einwohner), das erstmals 1228 als Dorf schriftlich erwähnt wurde, trinkt ihr euer Bier mit Weitblick zwischen Pragern und erlebt, wo Prags Studierende feiern. Ihr findet echt lokale Läden, seid als Kunstinteressierte in einem Teil des Künstlerviertels “Art District 7” genau richtig und erlebt, wie sich das alternative Prag Stück für Stück weiterentwickelt. Und auch der Gaumen geht in Holešovice sowohl in trendigen als auch nachhaltigen und gemütlichen Restaurants und Cafés auf Reise.

Fototipp: Keine Panoramasicht, aber unzählige Fotomotive liefert das kreative Zentrum Vnitroblock (Beschreibung siehe unten). Genau dort könnt ihr in Bildern einfangen, dass Holešovice in Bewegung und schon ganz schön hip ist, dass aber auch die Überbleibsel aus der Zeit des Industrie- und Arbeiterviertels nicht einfach entsorgt wurden: Modernes Design neben zerfallenden Gebäuden. Künstlerische Street-Art an heruntergekommenen Mauern.

Anreise nach Prag-Holešovice

Lage:nördlich der Prager Altstadt
Anreise:mit dem Zug / Auto
Must-See:DOX-Zentrum für zeitgenössische Kunst
Einkehrtipps:The Eatery, U Uranie 18, Prag 7
Einwohner:gut 35.000

Ich bin mit dem Zug von Deutschland angereist, über Berlin. Das Tolle: Nach ca. 4,5 Stunden seid ihr nicht nur in Prag, sondern der Fernzug hält direkt am Bahnhof Holešovice! Natürlich könnt ihr auch mit dem Auto anreisen, aber wie in jeder Metropole gibt es in Prag natürlich zu den Stoßzeiten stressigen Verkehr und Parkplatzmangel bzw. überteuerte Parktarife.

Ein Auto ist vor Ort auch nicht vonnöten, denn am besten lernt man Holešovice zu Fuß kennen. Und wenn ihr doch mal größere Distanzen zurücklegen möchtet oder müde geworden seid, besteht ein wunderbares Bus- und Straßenbahnnetz. Empfehlenswert ist dafür z. B. der Prague Visitor Pass für 48, 72 oder 120 Stunden, der in allen öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt gilt sowie freien oder ermäßigten Zugang zu vielen Sehenswürdigkeiten bietet.

Von hässlich zu stylisch

Wärt ihr vor 30 Jahren durch das heutige Szeneviertel Prag-Holešovice spaziert, wäre eure Kamera in dem düsteren Arbeiterviertel mit Fabriken und Hallen wohl in der Tasche geblieben. Und auch heute ist Holešovice noch keiner der Orte, den man eher durch eine Linse erlebt als mit eigenen Augen.

Da versammeln sich auf einem Platz eine Handvoll Einheimische, um gemeinsam Yoga zu machen, während ältere Herren vorm Kiosk daneben ein Pilsener süffeln. Junge Leute kommen mit vollen Taschen aus Second-Hand-Läden, andere verschwinden in der Schneiderei nebenan, und aus einer Bio-Bäckerei duftet es nach ofenfrischem Brot. Doch Achtung: Am Samstag um 13 Uhr steht ihr wie in einem Dorf meist vor geschlossenen Läden, denn 24/7 für Touristen gibt es in Holešovice nicht!

„Hier ist es total entspannt und man ist endlich mal unter Tschechen“, sagen die Viertelbewohner über Holešovice. Und dieses Gefühl sorgt anscheinend für reichlich Inspiration und Kreativität, denn aus immer mehr Industriestandorten entstehen hippe Locations, die der Kunst, Kultur oder Kulinarik gewidmet sind.

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Sonnenuntergang am Hafen von Holešovice ©Kajano

Art District 7 – die drei Künstlerviertel Prags

Zum sogenannten “Art District 7” zählen in Prag neben Holešovice auch die benachbarten Viertel Bubeneč und Letná. Während ihr durch Holešovice schlendert, werdet ihr mir sicher bald zustimmen: Das Viertel outet sich gefühlt an jeder Ecke als Teil dieses Künstlerviertels. Da ist zum Beispiel auf einer einstigen Fabrik ein Zeppelin gelandet. Oder nein, das 42 Meter lange Stahl- und Holz-Gebilde wurde als Hingucker auf dem DOX – Zentrum für zeitgenössische Kunst platziert und dient als Begegnungsraum für Kunst und Literatur.   

In den früheren ehemaligen Messehallen in Holešovice befindet sich heute dagegen die Prager Nationalgalerie, in deren Café sich viele Studierende zum gemeinsamen Lernen treffen. In Holešovice empfiehlt es sich, dass ihr euch einfach treiben lasst. Solltet ihr euch in einem Gang zwischen zwei Häusern verlieren, habt ihr vielleicht die unauffällige Schrift an einer Hauswand übersehen: „Vnitroblock“. Das kreative Zentrum überrascht euch mit einem lichtdurchfluteten Café sowie richtig schicken Läden, Bistros, Tanzstudio und Theater – und das hinter Mauern, die nach Renovierung schreien.

Auch Prags größte Marktfläche findet sich in Holešovice. Dass dort bis 1983 in einem Schlachthaus gemetzelt wurde, ist heute schwer vorstellbar, wenn ihr euch den Komplex mit modernen Geschäften, exklusiven Clubs oder dem progressiven Theater Jatka 78 anschaut.

Und ein kleiner Geheimtipp der Viertelbewohner: Im Elektroladen Alza am Markt verbirgt sich ein kleines Café, das den besten Kaffee der Gegend macht. Ursprünglich diente es Kunden, die auf ihre Ware warteten, aber längst dient es auch Nicht-Kunden zur Kaffeepause.

Geschichte zum Anfassen

Kommt ihr an Holešovices altem Bahnhof Bubny vorbei und seht ein Bahngleis in den Himmel ragen – das ist normal. An der Stelle, ab wo im Zweiten Weltkrieg Zehntausende Prager Juden in die Konzentrationslager der Nazis geschickt wurden, entsteht nämlich in einem aufwendigen Projekt ein “Gedenkort der Stille”.

Geschichtlich bedeutend ist ebenfalls die sogenannte “Sonnenanhöhe” (Leteň) im Letná Park – dort, wo ihr auch den Biergarten mit schönstem Fluss- und Stadtblick findet. Spaziert ihr von dort ein Stück weiter, sticht euch bereits aus der Ferne ein 25 Meter hohes und sieben Tonnen schweres Metronom ins Auge. Eigentlich nennt es sich “Zeitmaschine” und entsprang der Fantasie von Bildhauer Vratislav Karel Novák.

Witzig zu wissen: Bis 1962 erhob sich genau dort knapp sieben Jahre lang ein Stalin-Denkmal. Der Diktator ließ sich nicht gern beseitigen, denn es brauchte drei Anläufe, bis die Statue gesprengt werden konnte! Seid ihr an einem Sonntagmorgen vor Ort, stellt euch darauf ein, dass eure Sohlen öfter am nach Bier stinkenden Boden festkleben oder euch wankende Teenager und Studierende entgegenkommen. Auf dem Hügel mit Weitblick feiert Holešovices Jugend nämlich besonders gern.

Vom Biergarten schaut man über die Moldau und über die Prager Altstadt
Prag Letná – Letenský Park mit Biergarten

Holešovice für Feinschmecker

Holešovice überrascht nicht nur künstlerisch und kulturell, sondern auch kulinarisch: Da ist zum Beispiel Starkoch Pavel Býček, der seine Kochkünste unter anderem in London erweiterte, sogar in einem Michelin-Restaurant. Heute kochte er im Restaurant “The Eatery” für Holešovice. Der große Letter E prangt neben der Eingangstür, und sobald ihr ins Innere tretet, fällt euer Blick auf einen Tisch, an dem Kellner in weißem Hemd und ebenfalls mit „E“ beschrifteter Schürze Brot aufschneiden. „Die Küche ist unsere Bühne“ lautet das Motto der Eatery, und so könnt ihr auch am Tresen sitzen und wie vor der Kinoleinwand zuschauen, wie Býček und seine Kollegen euer Essen aus lokalen Produkten zaubern.

Genauso lecker schmeckt es mir übrigens im Café Kavárna, perfekt für Vegetarier, wo man gemütlich in einem Vorgarten sitzt. Und wenn ihr genauso verrückt nach Käsekuchen seid wie ich, dann lasst euch nicht die Konditorei Cukrárna Alchymista entgehen! Dort gibt es nicht nur den meiner Meinung nach besten Käsekuchen Prags, sondern auch eine richtige Oase im Garten mit Teich und zwitschernden Vögeln, wo das Hauptstadt-Gefühl wo nie einziehen wird.

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Fazit

Holešovice ist ein tolles Ausflugsziel für alle, die sich für Boheme- und Kunstviertel begeistern. Unabhängig davon, ob ihr durch authentische, nicht immer perfekt herausgeputzte Wohnstraßen spazieren, Einheimische mitten im Alltagsgeschehen erleben, in zeitgenössische Kunst eintauchen oder alternativ schlemmen möchtet. Und dabei solltet ihr einen Abstecher ins benachbarte Letná nicht vergessen, wo sich vom Biergarten ein unschlagbarer Weitblick über Prag eröffnet und man trotzdem überwiegend unter Einheimischen ist.   

Das Gute: Holešovice und der Rest des Art District liegen nur gute zwei Kilometer von der Prager Altstadt entfernt, sodass ihr den Künstlervierteln entspannt einen Tag widmen könnt, ohne jedoch die klassischen Highlights Prags zu verpassen!

Lage

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