Die letzten Bissen Apfelstrudel mit Vanillesauce verschwinden in meinem Mund. Auf der Sonnenterrasse der Mindelheimer Hütte herrscht an diesem warmen Oktobertag reges Treiben. Noch schnell die Wasservorräte auffüllen und dann bin ich bereit für die rund 4,5-stündige Tour über den Mindelheimer Klettersteig bis zur Fiderepasshütte, wo ich einen Schlafplatz für die kommende Nacht reserviert habe. Der Klettersteig eignet sich je nach Belieben sowohl in Verbindung mit einer Hüttenübernachtung als auch als anspruchsvolle Tagestour.
Lohnt sich der Mindelheimer Klettersteig im Allgäu?







Der Mindelheimer Klettersteig ist nicht nur der älteste, sondern neben dem Hindelanger Klettersteig auch einer der beliebtesten und schönsten Eisenwege in den Allgäuer Alpen. Und das aus gutem Grund: Seit 1975 bietet er Bergsportlern ein besonderes Klettersteigerlebnis entlang der deutsch-österreichischen Grenze mit einer abwechslungsreichen Linienführung und phänomenalen Aussichten. Man hat zudem die Möglichkeit, ihn in beide Richtungen zu gehen (Achtung: Gegenverkehr!) und auf beiden Seiten lädt eine Hütte zur Einkehr oder Übernachtung ein.
Die Route über den wild zerklüfteten Gipfelgrat der drei Schafalpenköpfe sollte allerdings nur mit Klettersteigerfahrung und guter Planung begangen werden, denn Möglichkeiten zum Notausstieg gibt es unterwegs keine. Technisch ist der Klettersteig zwar nicht sonderlich schwierig – bis auf wenige C-Stellen ist er durchgängig mit A/B markiert – aufgrund der Länge jedoch nicht zu unterschätzen. Mithilfe von Drahtseilen, Eisenklammern und Leitern geht es gut gesichert rund 5 Kilometer immer auf und ab. Richtig ausgesetzt ist der Steig nur an einzelnen Abschnitten, dafür sorgen aber einige ausgedehnte Steilpassagen für den nötigen Adrenalinkick. Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sind daher unbedingt Voraussetzung.
Fototipp: Spektakuläre Fotomotive gibt es auf dem Mindelheimer Klettersteig an jeder Ecke, denn die Szenerie in hochalpiner Lage ist durchweg beeindruckend. Vor allem im Gipfelbereich des 3. Schafalpenkopfs lassen sich tolle Fotos mit der Fiderepasshütte und den Hammerspitzen im Hintergrund machen. Mit etwas Glück gelingt beim Zu- oder Abstieg noch ein Steinbock-Selfie.
Anreise ins Kleinwalsertal zum Mindelheimer Klettersteig
Schwierigkeit: | C |
Strecke: | 4,5 km |
Gehzeit: | 4 -5 Std. |
Höhenmeter: | 400 hm |
Anfänger-geeignet: | Nein |
Der beliebteste Ausgangspunkt für die Begehung ist der Ort Mittelberg im Kleinwalsertal, welchen ihr von Oberstdorf aus mit dem Walserbus in gut 30 Minuten erreicht. Nach der Wanderung durchs Wildental steigt man dann entweder nach rechts über die Kemptner Scharte oder nach links über die Fiderescharte auf, um zum Einstieg in den Klettersteig zu gelangen.
Der Abstieg erfolgt über den jeweils anderen Weg. Diese Variante ist vor allem bei der Anreise mit dem Auto zu empfehlen, welches am Gasthof Schwendle geparkt werden kann (gebührenpflichtig).
Etwas schneller geht es, wenn man von Riezlern im Kleinwalsertal aus die Kanzelwandbahn oder aus dem Stillachtal die Fellhornbahn nutzt und von dort zur Fiderepasshütte wandert. Bei Begehung des Klettersteigs von Süden nach Norden ist der Aufstieg zur Mindelheimer Hütte aus dem Rappenalptal die beste Option.
Mindelheimer Klettersteig mit Hüttenübernachtung
Mit einer Gesamtgehzeit von 8 bis 10 Stunden sollte der Klettersteig als Tagestour nur mit sehr guter Kondition und stabilen Wetterverhältnissen durchgeführt werden. Weitaus entspannter wird es da, wenn man eine Übernachtung auf einer der beiden DAV-Schutzhütten einplant. Dann hat man die Möglichkeit, gleich morgens einzusteigen und so die Rushhour am Mittag zu vermeiden, sich etwas mehr Zeit lassen und das Bergpanorama ausgiebig genießen zu können.
Vor allem im Sommer mit erhöhtem Gewitterrisiko ist es ratsam, sehr früh loszuziehen. Wer stattdessen wie ich erst am Nachmittag einsteigt, hat ebenfalls weniger Gegenverkehr und kann die Tour am nächsten Tag noch um eine Gipfelbesteigung oder einen weiteren Klettersteig (z. B. der 2-Länder-Sportklettersteig an der Kanzelwand) verlängern.
Wie immer ist es bei einer Hüttenübernachtung sinnvoll, den Schlafplatz frühzeitig zu reservieren. Die Hütten in den Allgäuer Alpen sind vor allem an Wochenenden und Feiertagen sehr beliebt. Natürlich müsst ihr bedenken, dass ihr nun etwas mehr Gewicht tragt und gegebenenfalls langsamer im Klettersteig unterwegs seid. In den Rucksack gehören neben der Klettersteigausrüstung dann auch Hüttenschlafsack, Hüttenschuhe, Wechselkleidung und Waschtasche. Außerdem habe ich immer ein Erste-Hilfe-Set, eine Stirnlampe sowie eine Powerbank mit dabei.
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Mindelheimer Klettersteig von Süden nach Norden
In welche Richtung man den Klettersteig geht, ist tatsächlich Geschmackssache. Die Auf- und Abstiege sind aufgrund der drei Gipfel relativ ausgeglichen. Wer an der Fiderepasshütte beginnt, hat noch mehr Kraft und Konzentration für die schwierigeren C-Stellen im Bereich des 3. Schafalpenkopfs.
Ich starte hingegen im Süden am Kemptner Kopf (2.193 m) und kann mich erst einmal in leichteren A/B-Passagen einklettern. Von hier lässt sich die beeindruckende Länge und Schroffheit des Grats überblicken, den es jetzt zu überwinden gilt. Das weckt Respekt, aber auch Vorfreude auf eine ausgiebige Klettersteigtour.
Nach dem Gipfelkreuz geht es zunächst entspannt über eine grasige Mulde bergab bis zum südlichen Einstieg, wo ich Klettergurt, Klettersteigset, Helm und Handschuhe anlege. Direkt zu Beginn erwartet mich dann eine steile Rinne, durch die ich über eine Leiter aufsteigen muss. Auf den ersten 100 Metern kommen mir noch einige Kletterer aus der anderen Richtung entgegen, die den Steig bereits erfolgreich gemeistert haben. Danach wird es merklich ruhiger und nur vereinzelt treffe ich noch auf Gegenverkehr. Sicher auch ein Grund, warum ich statt der offiziell angesetzten 5h trotz mehrerer kleiner Trink- und Fotopausen insgesamt nur 4h benötige.
Zugegebenermaßen geht das Klettern dank diverser Metalltritte, Leitern und Bügel aber auch relativ leichtfüßig vonstatten und erfordert vergleichsweise wenig Kraft und Technik. Die Herausforderung liegt beim Mindelheimer Klettersteig mehr in der Ausdauer. Dabei wechseln sich Klettersteigpassagen immer wieder mit kurzen ungesicherten Gratwanderungen ab, bei denen man etwas verschnaufen kann.
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Klettersteigtour mit Panoramablick
Zu Beginn des 2. Schafalpenkopfs bietet der grasige Rücken des Gipfels dann den idealen Platz für eine ausgiebige Pause. Von hier lasse ich den Blick über die majestätischen Gipfel des gegenüberliegenden Allgäuer Hauptkamms schweifen. Ich erblicke unter anderem das Hohe Licht und den Biberkopf, auf denen ich erst wenige Tage zuvor stand, und auch die Rappenseehütte, durch die man die Tour bei Belieben problemlos zu einer mehrtägigen Hüttenwanderung ausweiten kann.
Beim Abstieg vom 2. Schafalpenkopf erwartet mich eine interessante Wegführung erst durch einen Kamin hinunter und dann über steile Leitern hinauf. Es wird luftig unter meinen Füßen! Weiter geht es über eine schräge Rampe und eine kurze Leiterbrücke bis zum 3. und letzten Gipfel. Hier gilt es nun, nochmal alle Kraft und Konzentration zusammenzunehmen. Zunächst muss eine etwas steile, aber gut machbare B/C-Stelle im Aufstieg gemeistert werden. Dann folgt nach einem kurzen Zackengrat noch die Schlüsselstelle im Abstieg: Nach einer senkrechten Rinne geht es über Eisenklammern einen sechs Meter hohen, leicht überhängenden Felsabschnitt hinunter.
Geschafft! Ich atme tief durch und ein Gefühl von Stolz durchströmt mich, das allerdings schnell von der Vorfreude auf etwas zu Essen und Trinken abgelöst wird. 4 Stunden Kletterei machen hungrig. Unterhalb des Grats wird die Fiderepasshütte bereits von der Abendsonne angeleuchtet. 30 Minuten später genieße ich auch schon das Abendessen auf der Terrasse und schlüpfe nach einem Bilderbuch-Sonnenuntergang erschöpft aber glücklich in meinen Schlafsack.
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Fazit
Wer ausgiebige Klettersteigtouren mit beeindruckendem Weitblick liebt, kommt beim Mindelheimer Klettersteig definitiv auf seine Kosten. Die abwechslungsreiche Linienführung über die drei Schafalpenköpfe hält immer wieder Überraschungen parat und macht richtig viel Spaß. Für mich war es ein ganz besonders intensives Bergerlebnis, an das ich mich noch lange erinnern werde. Die Tour ist gleichermaßen herausfordernd und genussvoll und lässt einen am Ende des Tages erschöpft, aber glücklich ins Bett fallen. Bei Übernachtung auf einer der beiden Hütten kann man den Steig außerdem wunderbar mit weiteren Gipfeln und Klettersteigen im Allgäu oder gleich einer mehrtägigen Hüttentour (Steinbockrunde) verbinden.
Lage
Praktische Links
- Offizielle Website: Kleinwalsertal
- Topo zur Tour: Mindelheimer Klettersteig
- Die schönsten Wanderungen der Alpen
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