Es ist der dritte Tag unseres Trekkings. Wir sind heute um halb sechs aufgestanden, viele Stunden durch den dichten Wald gewandert, haben einen Fluss überquert und auch schon an einer indigenen Zeremonie teilgenommen. Da liegt sie vor uns: Ciudad Perdida, die verlorene Stadt von Kolumbien. Kreisförmig im grünen Gras sehen wir die Ruinen von Teyuna. Die Stadt und ihre damaligen Bewohner sind längst Geschichte.

Lohnt sich die Wanderung zur Ciudad Perdida in Kolumbien?

Machu Picchu in Peru ist weltweit bekannt, die verlorene Stadt von Kolumbien kann allerdings erst seit wenigen Jahren von Touristen besucht werden. Die kreis- und kaskadenförmigen Ruinen gehörten zur Stadt Teyuna, in der damals das Volk der Tayrona lebte. Die Ciudad Perdida liegt mitten in der Sierra Nevada von Santa Marta und kann nur im Rahmen einer mehrtägigen Wanderung erreicht werden.

Auch heute leben hier noch die indigenen Völker Wiwa, Kogui, Arhuacos und Kankuamos – direkte Nachfahren der Tayrona. Für sie ist die Ciudad Perdida ein heiliger Ort. Und auch alle anderen spüren die Spiritualität dieser Stätte.

Man kann die Ciudad Perdida nur in einer geführten Tour erkunden und am authentischsten wird es, wenn man sie sich von den Indigenen selbst zeigen lässt. Mit meinen Freundinnen habe ich mich deshalb für das Trekking mit Wiwa Tours entschieden, der ersten von Indigenen gegründeten Reiseagentur.

Man muss dazu sagen: Die Indigenen machen einen kleinen Teil der kolumbianischen Bevölkerung aus. Sie haben es nicht leicht: Viele leben in Armut, wurden oftmals vertrieben und haben mit Rassismus zu kämpfen. Wenn wir schon auf ihrem heiligen Boden unterwegs sein dürfen, ist es nur fair, wenn sie auch ein bisschen an uns mitverdienen können.

Fototipp: Alles. Aber am beeindruckendsten ist natürlich die Ciudad Perdida selbst. Ihr solltet also am dritten Tag auf keinen Fall eure Kamera vergessen. Die Guides bringen euch zur perfekten Stelle, etwas erhöht, um das perfekte Bild der Ciudad Perdida machen zu können.

Anreise zum Startpunkt in Santa Marta

Lage:Sierra Nevada de Santa Marta
Strecke:60 km
Dauer:4 oder 5 Tage
Preis:1.750.000 COP (etwa 335 Euro)
Besonderheit:Vollverpflegung

In der Regel startet ihr das Trekking in der Küstenstadt Santa Marta. Der Flughafen ist gut angebunden. Alternativ könnt ihr auch mit dem Bus anreisen. Vor Ort solltet ihr mindestens eine Nacht im Hotel oder Hostel buchen, um am Folgetag gegen 8 Uhr morgens aufzubrechen.

Man kann nicht ohne Guides zur Ciudad Perdida wandern. In Santa Marta befinden sich mehrere Agenturen, die sich um alles kümmern – von Touristenabgabe über Anreise, Verpflegung, Übernachtung, die Wegführung und natürlich die Geschichtsvermittlung. Ihr könnt dort auch überschüssiges Gepäck lagern.

Die Preise der Agenturen ähneln sich – für vier Tage mit Vollverpflegung (abzüglich Frühstück am ersten und Abendessen am letzten Tag) zahlt man aktuell 1.750.000 COP, etwa 335 Euro. Ihr könnt eure Reise im Vorhinein reservieren (dann wird auch eine Kaution fällig) oder spontan bei der Agentur vorbeigehen und schauen, wann etwas frei ist.

Ich habe lieber im Vorhinein reserviert, und zwar bei Wiwa Tours. Die Agentur wird von Indigenen geführt und arbeitet auch ausschließlich mit indigenen Guides zusammen. Ich kann Wiwa Tours absolut weiterempfehlen – sie machen tolle Arbeit und es ist schön, die indigene Bevölkerung Kolumbiens zu unterstützen.

Die Guides sprechen Spanisch. Außerdem gibt es einen Übersetzer. Die Gruppengröße variiert, wir waren 16 Leute bei drei Guides und zwei Köchen.

Reiseagentur veröffentlicht eine Packliste

Vier oder fünf Tage im Wald, fernab der Zivilisation – natürlich will da der Rucksack gut gepackt sein. Zur Pflichtausstattung gehören neben Geld und persönlichen Dokumenten die Wanderschuhe, Kleidung zum Wandern und zum Schlafen, Badekleidung, ein Handtuch, Insektenabwehr-Spray und wegen der Mücken für die Abende eine lange Hose und ein langes Oberteil.

Dann natürlich Regenschutz für den Rucksack und für euch, also ein Cape, eine Jacke oder ein Schirm. Außerdem bringt jeder sein eigenes Shampoo, Duschbad, Zahnpasta und so weiter mit. Und: Jeder sollte eine Rolle Klopapier einpacken, das wird nämlich bei so vielen Gästen manchmal knapp. Eine Stirn- oder Taschenlampe für den Toilettengang am Abend, Kamera, Powerbank oder ähnliches sind optional, aber dringend empfohlen – es lohnt sich.

Stichwort Wechselkleidung: Ihr werdet immer nass sein – entweder weil es geregnet hat oder weil ihr viel schwitzen müsst. Einmal nass, trocknet bei hoher Luftfeuchtigkeit gar nichts. Es gab Leute in meiner Gruppe, die morgens, mittags und abends geduscht haben und entsprechend frische Sachen dabei hatten. Das muss man natürlich für sich entscheiden und natürlich auch selbst herumschleppen.

Ich habe immer abends geduscht und dann mein langes Outfit für den Abend und die Nacht angezogen. Neben meiner Kleidung am ersten Tag hatte ich und drei Garnituren Wanderkleidung für den jeweils folgenden Tag dabei. Ich war froh, außerdem meinen beleuchteten E-Book-Reader dabeizuhaben, denn nach der Bettruhe war ich noch eine Weile wach.

Tag 1: Anreise und Urwald-Lunch

Acht Uhr morgens, Treffpunkt: Agentur Wiwa Tours. Unsere Kompagnons und Freunde der nächsten Tage trudeln langsam ein: zwei Cousins aus Mexiko, eine Britin, ein Pärchen aus Australien, zwei Freunde aus Quebec, ein Halbitaliener, drei Kolumbianer, zwei Mädels aus den USA und Australien, die momentan in Kolumbien wohnen. Und ich, mit zwei französischen Freundinnen. Wir stellen uns alle vor. Dann lernen wir auch unsere Guides kennen: Sawakin, Angél und Pablo, außerdem den Übersetzer Anderson.

Zwei Bullis bringen uns zum Startpunkt unserer Wanderung. Die holprige Fahrt dauert mindestens zwei Stunden und ist wahrscheinlich besser auszuhalten, wenn man nicht (wie ich) zur Seekrankheit neigt. Meine Geheimwaffe gegen Übelkeit ist interessanterweise Essen und ich habe Glück, nach Ankunft in Mamey wird nämlich gerade fürs Mittagessen gedeckt.

Es gibt als Ganzes gebratenen Fisch, Reis, Salat und Kochbanane – übrigens das Standardessen nahe der kolumbianischen Karibikküste. Veganer und Vegetarier bekommen als Alternative geschnetzelten Tofu. Eine andere Gruppe steigt in unsere Bullis ein – den müden Gesichtern nach zu urteilen haben sie die Tour soeben erfolgreich hinter sich gebracht.

Der erste Tag ist noch vergleichsweise harmlos

Nach dem Essen starten wir unsere Wanderung. Verglichen mit dem Programm der kommenden Tage wird es heute eher leicht. Wir laufen beschwingt auf einem breiten, lehmigen Weg, den ich mir bei Nässe ganz schön rutschig vorstelle. Aber das Wetter ist gut und die Aussicht auch. Ich halte immer wieder an, um Fotos zu machen – vielleicht sehe ich ja Leoparden oder Schlangen, Affen, Tukane…

Erster offizieller Stopp: Wir sind bei einer kleinen Schutzhütte. Es gibt ein Plumpsklo und einen kleinen Kiosk, an dem eine indigene Frau Perlenschmuck, Schokoriegel und Coca-Cola verkauft. Für uns wird aber gerade ein weitaus besserer Snack vorbereitet: Einer der Guides schneidet eine riesige Wassermelone in handliche Stücke. Wir beeilen uns mit dem Essen, um den Fliegen in der Luft zuvorzukommen.

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Vista Hermosa – Dschungelcamp mit Komfort

Nach etwa fünf Stunden Weg erreichen wir das erste Camp: Vista Hermosa – wundervolle Aussicht. Der Name ist Programm. Wir befinden uns auf einem kleinen Hügel und blicken ins grüne Tal. Das Camp selbst ist spartanisch, bietet aber alles nötige: Vier eiskalte Duschen, drei Klos und zwei Dutzend Hochbetten aus Holz, die alle mit Kopfkissen, frisch gewaschenen Decken und Moskito-Netzen ausgestattet sind.

Nach dem Duschen gibt es aber erstmal Essen: Reis, Salat, Kochbanane und Würstchen. Die Veganer bekommen Gemüse mit leckerer Soße. Danach setzten wir uns ans Lagerfeuer. Sawakin weiht uns in einige indigene Traditionen ein, Anderson übersetzt.

Das Feuer hypnotisiert mich. Ich kann nicht glauben, dass ich hier mit Indigenen im kolumbianischen Urwald sitze, wo ich doch noch vor einer Woche bei einstelligen Temperaturen an meinem Münchner Schreibtisch saß.

Tag 2: Sieben Stunden Weg

„Buenos días, buenos dìas, buenos dìas!“ Sawakin sagt es noch mindestens weitere zehnmal, bis auch wirklich jeder aus der Gruppe wach ist. Ich liege schon seit einer halben Stunde mit offenen Augen unter der Decke. Irgendwo war nämlich vorhin ein Esel zu hören, den ich eine Sekunde lang für ein gefährliches Raubtier gehalten habe.

Stichwort Esel: Die sind nämlich das Haupt-Transport- und Fortbewegungsmittel für die indigenen Völker hier in der Sierra Nevada. Auf dem Weg passieren wir mehrfach Kinder, die auf Maultieren reiten oder Waren transportieren. Besonders komfort-freudige Wanderer können für kleines Geld einen Gepäckservice buchen, der den schweren Rucksack von Camp zu Camp transportiert.

Das Küchenteam ist schon etwas länger wach als wir und hat ein vorzügliches, kolumbianisches Frühstück zubereitet: Es gibt Rührei, Arepas und Ananas, dazu wahlweise Kaffee oder heiße Schokolade. Nach dem Essen geht es ziemlich fix los. Und – oh Schreck – es ist ziemlich glitschig, denn es hat über Nacht geregnet.

Mit meinen abgelaufenen Schuhen komme ich nur sehr vorsichtig und langsam voran. Pablo reicht mir einen zurechtgeschnittenen Stock. Jetzt geht es besser. Der Weg ist schmaler. Es geht auf und ab. Immer wieder passiert eine Kompanie Ameisen unsere Route, schwer bepackt mit grünen Blattschnipseln. Und immer wieder kommen uns andere Wandergruppen entgegen.

Abkühlung im Wiwa-Wasserfall

Halbzeit zwischen Frühstück und Mittagspause bedeutet: Früchte. Diesmal gibt es grüne Orangen, die genau wie “unsere” Orangen schmecken und Ananas, die dreimal so lecker ist wie daheim. Meistens machen wir die kurzen Stopps bei den kleinen Unterständen, wo die Schleckermäuler aus der Gruppe dann gleich auch Schokolade oder Cola kaufen können.

Gegen 11:30 Uhr erreichen wir unseren nächsten Stopp: Camp Wiwa. Hier können wir uns ein bisschen ausruhen und die nasse Kleidung vom Vortag zum Trocknen in die Sonne hängen. Bevor es Essen gibt, wollen die Guides uns ein anderes Highlight zeigen: den Wiwa-Wasserfall.

Ohne Gepäck laufen, nein, schweben wir fast durch den Wald, über Wurzeln und durchs Dickicht hindurch. Unterwegs begegnen uns zwei angebundene Hängebauchschweine unweit von einer Wiwa-Siedlung. Die Naturvölker leben in runden Lehmhütten mit Reetdächern. Die Kinder schauen uns völlig zu Recht sehr misstrauisch nach. Ein sehr taktloses Mädchen aus unserer Gruppe fotografiert sie ungefragt.

Wir erreichen den Wasserfall nach etwa 25 Minuten Weg. Bikinis und Badehosen haben wir schon an, ab ins Wasser. Es ist ein bisschen zu kalt für mich und ich gehe zurück ans Ufer und beobachte die beiden Mexikaner, die fürs perfekte Foto einer nach dem anderen den Wasserfall hochklettern.

Nach Rückkehr erwartet uns das typische Mittagessen, dann wandern wir vier Stunden weiter. In den frühen Abendstunden erreichen wir Camp Lorenzo. Heute steht nach dem Abendessen eine Geschichtsstunde auf dem Programm: Wir lernen mehr über die verlorene Stadt und ihre Ursprünge.

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Tag 3 und 4: Mittagssnack in alten Ruinen

Am dritten Tag haben wir es endlich geschafft. Nach dem Frühstück – diesmal Toast mit Rührei und Papaya – geht es los durch den dichten Dschungel. Das Gepäck können wir hier lassen. Wir werden zum Mittagessen in dieses Camp zurückkehren. Nach etwa einer Stunde müssen wir einen Fluss überqueren. Vor der Hängebrücke warnt uns ein Schild: Nicht alle auf einmal, maximal ein Wanderer darf hier überqueren. Durch den nächsten Fluss müssen wir waten. Die Guides helfen uns dabei, nicht auszurutschen.

Nun sehen wir schon die ersten Stufen der Ruine. 1.200 liegen insgesamt vor uns. Auf halber Strecke stellen wir uns kreisförmig zusammen. Sawakin verteilt Coca-Blätter. Mithilfe einer Zeremonie werden wir jetzt unsere negative Energie hinter uns lassen, um reinen Herzens zur verlorenen Stadt aufsteigen zu können.

Etwas später lernen wir noch eine junge Wiwa kennen, von der wir für umgerechnet 20 Cent selbst geknüpfte Talisman-Armbänder kaufen können. Außerdem lässt sie uns einen Blick in ein originales Wiwa-Haus werfen.

Die Ruinen von Ciudad Perdida

Die Ciudad Perdida ist kaskaden- und kreisförmig angelegt. Wenn man auf die Mauerreste schaut, kommt man ins Träumen. Wie prächtig diese Stadt wohl damals ausgesehen hat? Die Guides führen uns zu einer sehr hoch gelegenen Ebene und servieren uns Früchte und Süßigkeiten. Es gibt Ananas, Papaya, Melone, Orangen, kleine Schokoriegel und ein Gelee, das mir nicht schmeckt.

Nach der Pause und obligatorischen Foto-Session treten wir den Rückweg an. Es ist dieselbe Strecke wie auf dem Hinweg. Schlafen werden wir diesmal im Wiwa-Camp und ganz am Ende, am vierten Tag sind wir die Gruppe mit müden Gesichtern, die sich nach dem Mittagessen freut, dass frische neue Abenteurer mit Bullis angereist sind. Auf dem Rückweg bin ich so Adrenalin-geladen, dass ich völlig vergesse, dass mir im Auto ja eigentlich schlecht wird. Wir sind am vierten Tag gegen 17 Uhr zurück in Santa Marta.

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Fazit

War das Trekking vier Tage oder ein ganzes Leben lang? Der Gedanke vom ersten Abend – meine Erlebnisse hier im Kontrast zu meinem Alltag in Deutschland – haben mich den ganzen Weg über begleitet. Auch wenn die Ciudad Perdida das absolut sehenswerte Highlight der Tour gewesen ist, werde ich das Trekking vor allem als Gesamterlebnis in Erinnerung behalten.

Der Weg durch den Dschungel, das frühe Aufstehen und völlig erledigt ins Bett fallen, den Tukan, den ich unterwegs gesehen habe. Die wahnsinnig leckere Ananas und sowieso die tolle Rundumversorgung. Die internationale Gruppe, die so freundlich miteinander umgegangen ist. Und natürlich die tollen Guides, der Übersetzer und das Küchenteam.

Bevor ich nun aber alle anderen ins Abenteuer schicke – eine Sache gibt es zu beachten: Krabbeltiere. Ich dachte, Mücken wären das Problem. Weit gefehlt. Obwohl ich wirklich aufmerksam war, hatte ich am Ende zwei Zecken und ein paar Mitwanderer ebenfalls. Untersucht euch gut und gebt Obacht bei den herumstreunenden Katzen und Hunden.

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