Unter meinen Füßen geht es mehrere hundert Meter steil nach unten. Ich versuche, den Blick auf den Weg direkt vor mir zu richten. Der Grat, über den wir hier kraxeln, ist stellenweise sehr ausgesetzt. Und genau das ist auch die Schwierigkeit des langen Hindelanger Klettersteigs. Wer auf diesem Steig oberhalb von Oberstdorf klettern möchte, sollte absolut schwindelfrei und trittsicher sein. Vor allem, weil nicht alle Passagen durchgehend mit einem Drahtseil gesichert sind. Aber die sensationellen Aussichten über die Allgäuer Bergwelt entschädigen zwischendurch immer wieder für die Strapazen.

Lohnt sich der Hindelanger Klettersteig bei Oberstdorf?

Der Hindelanger Klettersteig beginnt direkt am Nebelhorn. Unmittelbar neben der Bergstation der Seilbahn befindet sich bereits der Einstieg. Dann geht es über knapp 4 km immer am Grat entlang, bergauf und bergab. Es werden verschiedene Gipfel überwunden. Dazu zählen unter anderem der Westliche Wengenkopf, der Östliche Wengenkopf und die Zwiebelstränge. Ziel ist der Große Daumen.

Die Länge ist es auch, was die Tour so anspruchsvoll macht. Technisch liegt der Steig bei einer Schwierigkeit von maximal C, und das auch nur an einer Stelle. Die restliche Tour ist mit A und B markiert und immer mal wieder gibt es ungesicherte, ausgesetzte Passagen im I. und II. Kletter-Schwierigkeitsgrad.

Falls ihr während der Tour feststellt, dass euch die Kraft oder die Kondition ausgehen oder dass das Wetter umschlägt, gibt es auch einige Möglichkeiten, vorzeitig abzusteigen. Gut zu begehende Abstiegsmöglichkeiten befinden sich hinter dem Westlichen Wengenkopf, vor der langen Leiter am Östlichen Wengenkopf und einige Meter nach den Zwiebelsträngen. So könnt ihr die Tour zumindest etwas variieren. Gerade das erste Stück, die sogenannte Schnupperrunde, bis zum ersten Ausstieg ist super abgesichert.

Fototipp: Die Szenerie ist fast durchgehend spektakulär und ein Foto lohnt sich an jeder Ecke. Achtet beim Fotografieren und Filmen auf einen festen, sicheren Stand. Denkt daran, euch zu sichern, wenn es möglich ist. Wenn man durch das Display schaut, kann man manchmal das Gleichgewicht verlieren. Das ist im Klettersteig selbst natürlich ungünstig.

Anreise nach Oberstdorf im Allgäu

Schwierigkeit:B/C
Länge Klettersteig:4 km
Höhenmeter:ca. 400 hm
Für Anfänger:nein
Beste Reisezeit:Juni – Oktober

Ausgangspunkt für die Begehung des Klettersteigs ist Oberstdorf im Allgäu. Ab München könnt ihr mit dem Zug anreisen. Der Regionalexpress fährt mehrmals täglich sogar ohne Umstieg bis nach Oberstdorf durch. Dann dauert die Fahrt etwas länger als 2 Stunden. Vom Bahnhof ist es dann noch rund eine Viertelstunde Fußweg bis zur Talstation der Nebelhornbahn.

Alternativ könnt ihr direkt an der Nebelhornbahn mit dem Auto parken. Das Parkticket für den ganzen Tag ist relativ teuer. Es gibt aber die Möglichkeit, Geld zurückzubekommen, wenn ihr Bergbahntickets kauft. Dann relativiert sich die Parkgebühr wieder ein wenig.

Auffahrt mit der Nebelhornbahn zum Hindelanger Klettersteig

Bevor es losgeht, werfe ich noch einen letzten Blick in den Rucksack, ob ich alles eingepackt habe. Ganz wichtig sind natürlich das Klettersteigset samt Klettergurt und Kletterhelm. Auch an Handschuhe habe ich gedacht, denn das Stahlseil kann manchmal sehr rau sein, oder sogar ausgefranste Enden aufweisen, die sich unsanft in die Haut bohren. Außerdem habe ich mehr als genug Wasser, Brotzeit und Snacks dabei. Es gibt unterwegs keine Hütte. Packt also lieber einen Riegel mehr als zu wenig ein.

Dann prüfe ich noch die obligatorische Standard-Wanderausrüstung. Für alle Fälle ist die Regenjacke mit dabei, eine wärmende Schicht habe ich auch noch eingepackt. Auch ein Erste-Hilfe-Set schadet nicht. Außerdem trage ich Wanderschuhe mit guter, griffiger Profilsohle, damit ich mich unterwegs auf meine Füße verlassen kann.

An der Kasse der Bergstation holen wir uns Tickets für die Berg- und Talfahrt. Um 8:30 Uhr fährt die erste Bahn nach oben und wir geben uns Mühe, die erste Gondel direkt zu erwischen. Am Nachmittag, um 16:40 Uhr, ist die letzte Talfahrt angesetzt. Für die Tour sind insgesamt 7 Stunden ohne Pause vorausgesagt. Viel Trödeln dürfen wir also nicht.

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Vom Nebelhorn auf den Hindelanger Klettersteig

Am Nebelhorn angekommen, lassen wir uns trotzdem kurz Zeit und genießen den Blick über die Allgäuer Bergwelt. Von hier sieht man sehr schön die Trettachspitze und den Hochvogel. Außerdem können wir beinahe den ganzen Grat überblicken, über den wir gleich klettern werden. Bergführer Mathias, der uns auf der Tour begleitet, sagt schon das voraus, was später eintreten wird: Der Grat wirkt von hier überschaubar und kürzer. In Wirklichkeit wird sich die Tour mit dem Auf und Ab jeweils sehr ziehen.

Mit angelegter Ausrüstung wagen wir uns an die ersten Klettermeter. Ich bin ein wenig aufgeregt und mir tut es gut, dass der Einstieg nicht allzu schwierig ist. Dieses erste Teilstück ist gut, um hineinzukommen und sich an den ausgesetzten Grat zu gewöhnen.

Dann folgen die ersten Leiterpassagen. Bei Leitern tue ich mich immer ein wenig schwer. Denn es ist am Grat ohnehin schon luftig. Da fällt es meinem Kopf schwer, in dieser Situation noch mehr Platz zwischen den Boden und mich zu bringen. Ich atme tief durch und klettere Sprosse für Sprosse nach oben. Und am Ende sind die ersten Leitern halb so schlimm, schnell gemeistert und plötzlich stehen wir schon am Östlichen Wengenkopf. Gipfel Nummer 1 erreicht.

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Podcast-Tipp


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Über den Westlichen Wengenkopf zur ausgesetzten Zwiebelstränge

War ja bisher gar nicht so schwer. Und auch noch gar nicht so weit. So ähnlich geht es nun auch weiter. Zwischendurch gibt es immer mal wieder Passagen, in denen wir einfach gehen und nicht klettern. Diese Stellen sind oftmals zum Ausruhen für den Kopf und die Hände geeignet. So erreichen wir auch den Westlichen Wengenkopf. Soweit, so gut.

Anschließend wird es meiner Meinung nach anspruchsvoller und fordernder. Das kann natürlich auch daran liegen, dass gute 2,5 Stunden Kletterei langsam ihren Tribut fordern. Es ist nicht zu unterschätzen, dass man immer konzentriert bleiben muss.

So werden die Meter über die Zwiebelstränge zu einer kleinen mentalen Herausforderung für mich. Der Weg wird gefühlt noch ausgesetzter. Sicherungsmöglichkeiten sind hier eher sparsam verwendet und hören manchmal an ungünstigen Stellen auf.

C-Stelle im Klettersteig überwinden

Spätestens in diesem Teil bin ich froh, dass wir einen Bergführer an unserer Seite haben. Im Fall der Fälle könnte ich somit auch am Seil laufen und mich von ihm mit sichern lassen. Und außerdem gibt er mir beim Abklettern von schwierigeren Passagen immer mal hilfreiche Tipps, wo ich meine Füße hinstellen kann, oder einen Griff finde. Allein diese Anweisungen sind zum Teil Gold wert. Vor allem, weil die Schlüsselstelle der Tour ja erst noch kommen wird.

Und während ich noch grüble, ob und wie ich die besagte C-Stelle meistern werde, stehe ich plötzlich schon davor. Es geht über einen kleinen Überhang bergab. An dieser Felsnase müssen wir irgendwie runter. Normalerweise würde ich solche Stellen rückwärts abklettern, aber weil es nur ein verhältnismäßig kurzes Stück ist, rät der Bergführer zu einer eher kontroversen Version. Ich folge seiner Empfehlung, setze mich auf den Po und lasse mich das Stück nach unten gleiten. Okay, so kann man die Schlüsselstelle also auch meistern.

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Fazit

Anschließend ist es nicht mehr allzu weit. Über weitere Leitern geht es sowohl nach oben als auch nach unten. Schließlich erreichen wir die Scharte unterhalb des Großen Daumen und haben nun die Qual der Wahl. Steigen wir noch zum Gipfel auf (etwa 20 Minuten) oder geht es für uns direkt zur Bergstation. Der Blick auf die Uhr lässt uns dann doch nicht lange überlegen.

Wir schlagen den Weg zur Seilbahn ein. Dabei kommen wir noch an einem wunderschönen Hochgebirgssee vorbei. Rundherum liegt sogar noch Schnee. Dieser See ist ein toller Abschluss der Tour. Ein letztes Foto noch, dann wandern wir mit schnellen Schritten die rund 1,5 Stunden zur Gondel zurück und kommen rechtzeitig an.

Insgesamt ist die Tour über den Hindelanger Klettersteig für erfahrene Klettersteiggeher technisch nicht super schwierig. Die Länge und die ständige Ausgesetztheit lassen die Schwierigkeit jedoch ansteigen. Konditionell und mental ist die Tour herausfordernd. Wenn ihr euch unsicher seid, würde ich euch empfehlen, euch ebenfalls von einem Bergführer begleiten zu lassen.

Ich bin nach der Tour zumindest verdammt stolz auf mich und konnte im Anschluss erst realisieren, wie krass die Gratkraxelei teilweise war. Und ja, …. ich würd’s wieder tun!

Lage

Praktische Links

Ein Kommentar

  1. Vielen Dank Marlene für diese Tour. Ist in der Bucketliste für nächstes Jahr 🙂
    Hast Du wie sonst bei andren Touren auch den GPS-Track auf outdooractive.com ?
    Würde mich super freuen wenn Du den noch zur Verfügung stellen könntest.

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